Full text: Geschichte des naturwissenschaftlichen und mathematischen Unterrichts (1. Band)

IV. Kapitel: Unterricht im Mittelalter, 69 
der hochgebildete Hohenstaufe, der sich‘ ja für die Naturwissenschaften 
besonders interessierte, aus. dem Arabischen ins Lateinische übertragen 
ließ; allein solche Vorlesungen hatten, wie schon erwähnt, keinen physi- 
kalischen Inhalt im heutigen Sinne des Wortes. Bei einer Aufzählung der 
bedeutendsten Universitäten, wo es von Paris heißt, daß es in der Theologie 
die erste Stelle einnehme, wo Bologna wegen der Jurisprudenz, Salerno 
wegen der Medizin, Salamanca wegen der Philosophie gerühmt werden, 
wird von Toulouse hervorgehoben, daß es „in mathematicis‘‘ bedeutend sei, 
Allein Suter?) hebt mit Recht hervor, daß man nicht recht einsehen könne, 
warum dieser Universität gerade dieses Lob gespendet werde, da wir sonst 
von. keinem bedeutenden: Mathematiklehrer, der an.ihr wirkte, noch von 
dort erschienenen mathematischen Schriften etwas vernehmen. Erst im 
14. Jahrhundert macht sich der Einfluß der übersetzenden Tätigkeit des 
13. Jahrhunderts, durch die der Euklid, der Aristoteles, der Almagest dem 
Abendlande bekannt wurden, in den Vorlesungen der Universitäten deut- 
lich bemerkbar, und gleichzeitig beginnen die Nachrichten reichlicher zu 
fließen, zumal uns die Vorlesungsverzeichnisse mancher Universitäten aus 
jener Zeit erhalten geblieben sind. Es erübrigt sich, hier die außerdeutschen 
Universitäten zu berücksichtigen. Von den deutschen steht aber die älteste, 
die nach dem Muster. von Bologna und Paris eingerichtete Universität zu 
Prag obenan. Dort waren für das Jahr. 1367 folgende mathematische 
Vorlesungen angekündigt: 1. Sphaera; 2. Algorismus; 3. Theorica planeta- 
rum; 4, sex libri Euclidis; 5. Almagestum Ptolemaei; 6. Almanacham; 7. Mu- 
sica; 8. Perspectiva communis; 9. Arithmetica, 
Die als sphaera bezeichnete Vorlesung, meist auch sphaera materialis 
genannt, dauerte 6 Wochen und galt im Mittelalter und noch ein Jahr- 
hundert darüber hinaus als die wichtigste und unentbehrlichste mathe- 
matische Vorlesung des Quadriviums. Ihr wurde das von Johannes de 
Sacrobosco um 1240’ verfaßte Lehrbuch De sphaera zugrunde gelegt, das 
Jahrhunderte hindurch an allen Universitäten Europas dieses Vorlesungs- 
gebiet beherrschte und noch im 16. Jahrhundert in so hohem Ansehen stand, 
daß Melanchthon im Jahre 1531 eine neue Ausgabe desselben veranstaltete. 
Es umfaßte in vier Büchern eine kurze mathematische Erd- und Himmels- 
kunde. Das erste Buch zeigte, „quot sint sphaerae, quae sit forma mundi“, 
handelte von der Kugel im allgemeinen, ihrem Zentrum, von der Welt- 
achse und dem Weltpol. Das zweite besprach die wichtigsten Kreise, die 
beiden Coluren, den Horizont, die Meridiane, die Wendekreise, die Polar- 
kreise, den Tierkreis, die sphaera recta = Äquator, die sphaera parallela 
= Pole, die sphaera obliqua = übrige Erde, die 5 Zonen. Das dritte Buch 
enthielt den Aufgang und Untergang der Gestirne, wobei sowohl der 
kosmische wie der heliakische. und akronychische Auf- und Untergang 
unterschieden wurden. 38) : Das letzte Buch endlich handelte von der Be-
	        
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