Vorwort.
Wenn einer unserer besten Historiker!) das 19. Jahrhundert in künst-
‚erischer Hinsicht als eine Zeit mehr des Ringens als des Ge-
ingens bezeichnet hat, so kann man diese Charakteristik mit Fug und
Recht auch auf die bisherige Entwicklung des naturwissenschaftlichen
Unterrichts anwenden. Seitdem sich die Naturwissenschaften ein Heimat-
recht im Lehrplan der höheren Schulen erworben haben, zeigt sich ein
nimmer rastendes Suchen und Versuchen, ein eifriges, unaufhörliches
Ringen nach den besten Unterrichtsformen, das nicht nur den Fortschritten
der Wissenschaft selbst und ihrer Forschungsmethoden folgt, sondern
auch unabhängig davon nach immer neuen Mitteln und Wegen sucht,
den sachlichen, formalen und ethischen Wert der exakten und biologischen
Wissenschaften für die Erziehung unserer Jugend zur vollen Geltung zu
bringen. Aber wenn wir uns auch wohl für berechtigt halten dürfen von
einer völligen Umgestaltung der naturwissenschaftlichen Unterrichts-
methode im Vergleiche zu früheren tastenden Versuchen auf diesem Ge-
biete zu sprechen, wir stehen doch auch heute noch im Anfange eines
Gelingens. Ja, bei genauerem Hinschauen und Hinhorchen haben wir
vielleicht oft genug Grund, uns vor einer Überschätzung der Erfolge zu hüten,
die wir in der Nutzbarmachung der Naturwissenschaften für die allgemeine
Geistesbildung und die Erziehung erreicht zu haben glauben. Denn noch
nicht überall scheint es gelungen zu sein, die Aneignung naturwissen-
schaftlichen Stoffes zu einem naturwissenschaftlichen Erkennen zu
mnMachen, aus dem äußerlichen Einprägen von bloßem Buchwissen einmal mit
arnstem Willen herauszukommen, auf die Förderung der Beobachtungs- und
Denkfähigkeit mit allem Nachdruck hinzuarbeiten und damit die Natur-
wissenschaften durch Berücksichtigung ihrer Eigenart aus der mannigfaltigen
Fülle des Schulwissens herauszuheben.
') D. Schäfer, Weltgeschichte der Neuzeit. 4. Aufl. Berlin 1910. Bd. 2 S. 404.