Full text: Methodik des chemischen Unterrichts (4. Band)

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Allgemeiner Teil. 
reicheren und schwierigeren Aufgabe zu gewöhnen, etwa in dem Umfang, 
wie sie später bei der Reifeprüfung vorkommen wird. 
Für die Anfertigung chemischer Aufsätze als häusliche 
Aufgabe vermag der Verfasser auf Grund gemachter Erfahrungen auch 
in Verbindung mit dem praktischen Unterricht nicht einzutreten. Sie 
werden erst in letzter Stunde angefertigt, begründen sich auf alle mög- 
lichen meist unkontrollierbaren Hilfsmittel und gehen jeder Äußerung 
selbständiger Ansichten beinahe ängstlich aus dem Wege. Auch wenn 
bei einem selbstgewählten Thema des deutschen Aufsatzes jeder Schüler 
ein ihm persönlich näher liegendes Gebiet der Naturwissenschaften, der 
Kunst oder der Geschichte behandeln kann, so bieten die hierbei abgeliefer- 
ten Arbeiten chemischen Inhalts nur ausnahmsweise einmal einen selb- 
ständigen Gedanken. 
Ebenso anfechtbar erscheint auch die von Dannemann“) gegebene 
Anregung, welche als letztes und höchstes Ziel die wahlfreie Aus- 
führung chemischer Aufsätze auf der Grundlage der eigenen 
Untersuchung bezeichnet. Wann und wo sollen die Schüler das prak- 
tische Material sammeln, wer soll sie während der (sonst schulfreien) 
Zeit beaufsichtigen und für die etwa eintretenden schweren Unglücks- 
fälle die Verantwortung übernehmen? Ist überhaupt der Schüler in der 
Lage, bei seiner „selbständigen‘‘ Arbeit auch nur einigermaßen die 
Grenzen des Gebietes, die Grenzen der Arbeitsmöglichkeiten zu ver- 
folgen, welche ihm der Lehrer notgedrungen doch zeigen wird? Daß 
sich die Schüler mit einem ungeheuren Eifer auf solche selbstgewählte 
Aufgaben stürzen, darüber besitzt der Verfasser aus dem freiwilligen 
praktischen Unterricht der obersten Klassen genugsam Beweise. Neue 
Methoden zur Bestimmung der absoluten Größe der Molekel auf Grund 
mathematischer Spekulation oder ähnliche abstrakte Themata wurden 
dabei des öfteren und nach vielwöchentlicher geheimer Vorarbeit in An- 
griff genommen. Zum experimentellen Abschluß kam die Untersuchung 
niemals, weil sich immer wieder neue Hypothesen einflechten ließen; 
ebensowenig wurde sie, glücklicherweise, schriftlich festgelegt. Ziemlich 
aäufig wurde ferner vom Verfasser der Versuch gemacht, daß begabte 
und eifrige Schüler sich selber von einer Woche auf die andere ein Arbeits- 
thema heraussuchen sollten, das sie im freiwilligen Praktikum in einem 
kürzeren Zeitraum erledigen konnten. Die Aufgabe wurde schon einige 
Stunden vor Beginn des praktischen Unterrichts dem Lehrer mitgeteilt 
und von ihm mit den Schülern besprochen, damit noch rechtzeitig die etwa 
fehlenden Reagentien besorgt werden konnten. Auch hier war stets die 
anfängliche Begeisterung groß. Meist wurde eine brauchbare Aufgabe aus 
dem Rahmen des gerade vorliegenden Schulunterrichts gewählt und — 
nach zwei fruchtlos geopferten Nachmittagen wieder aufgegeben. Dem
	        
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