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Allgemeiner Teil.
freies, unverbundenes Eisen steckt, läßt sich nur mittelbar auf einem
dem Schüler kaum verständlichen Weg beweisen. Der Schüler wird also
durch diesen Versuch niemals überzeugt. Besäße er die anderweitigen
chemischen Erfahrungen des Lehrers, so würde er ja freilich auch in diesem
Falle nicht zweifeln. Aber er besitzt eben diese Erfahrungen noch nicht!
Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit, daß man der Klasse auch ander-
weitig und in genau von den Schülern kontrollierbaren Fällen quantitative
Versuche vorführt, aus welchen sie dann selber das Naturgesetz zu ab-
strahieren vermögen: Bei chemischen Vorgängen treten die verschiedenen
Erscheinungsformen der Materie stets in bestimmten Gewichtsverhält-
nissen in. Umsetzung.
Beispiele für einleitende, wägende Versuche bietet jeder schulgemäße
Lehrgang in so reichlicher Menge, daß man eigentlich geradezu vor einem
Zuviel an solchen Versuchen warnen müßte. Am besten geht man
vom natürlichen kohlensauren Kalk, dem Marmor, Kalkspat und der
Kreide aus. Quantitativ wird dabei im Zeitraum mehrerer Wochen das
Brennen, das Ablöschen und das Glühen des gelöschten Kalkes ausgeführt,
wodurch also schon drei leicht verfolgbare Fälle für quantitative chemische
Analyse und Synthese gegeben werden. Später, im Zusammenhang mit
Schwefelsäure, kann man diese Beispiele fortsetzen, indem man im Platin-
tiegel auf gewogene Mengen frischgebrannten, auf frisch bereiteten gelöschten
und auf kohlensauren Kalk jeweils Schwefelsäure einwirken läßt, abglüht
und’ die entstehenden Mengen von schwefelsaurem Kalk mit dem früher
ermittelten Gewichtsverhältnis der drei angewandten Calciumverbindungen
in Rechnung bringt. Ein sehr genaues Resultat ohne große Mühe und Zeit-
verlust erhält. man auch, wenn man auf gewogene Mengen Chlornatrium
Schwefelsäure einwirken läßt. Leicht quantitativ durchführbar ist ferner
im Anfangsunterricht die Zerlegung von Quecksilberoxyd, wobei man
die eine Wägung unter Umständen sogar durch eine Gasmessung ersetzen
kann. Vorzüglich empfehlenswert sind die Versuche zur unmittelbaren
Bestimmung des Äquivalentgewichts. Neben den volumetrischen Messun-
gen des Verhältnisses Wasserstoff zu Sauerstoff und Chlor zu Wasserstoff
gehören hierher: Zink zu Chlor; Zinkoxyd zu Zinkchlorid, also Sauer-
stoff zu Chlor und Zink zu Sauerstoff; Kupfer zu Sauerstoff. Sind solche
Beispiele durchgeführt, so kann später der Lehrer unbedenklich auf die
Ausführung eines quantitativen Versuches verzichten, wenn er an den
qualitativen Versuch ein konkretes Beispiel in Zahlen anschließt und rechne-
risch verfolgen läßt. Die Schüler sehen dann — aber nur dann! — durch
die Rechnung ihre bisherigen Erfahrungen ebensosehr bestätigt, wie durch
einen Versuch selber. Wenn dem so vorbereiteten Schüler das Verhältnis
des Schwefels und Eisens als 4:7 bezeichnet und der entsprechende
Versuch auch wirklich gemacht wird, so hat der Beobachter weder Ver-