Die äußeren Hilfsmittel des Unterrichts. 201
Zum Verständnis chemischer Vorgänge sind reichliche physikalische
Kenntnisse erforderlich. Nur an kleinen Schulen wird der Chemielehrer
gezwungen sein, Physik zu unterrichten. Neunklassige Anstalten dagegen
verfügen über Fachleute auf diesem Gebiet. In Physik kann darum
für den Fachlehrer der Chemie Lehrbefähigung für Mittel-
klassen genügen. Die 9. Rheinische Direktorenkonferenz 1907 be-
zeichnet übrigens die Verbindung der drei Fächer Physik, Chemie und
Biologie in einer Person für besonders vorteilhaft. Auch der Verfasser
würde nicht anstehen, von jedem Chemielehrer für Physik volle Lehr-
befähigung zu verlangen und damit die Erreichung von Zeugnissen
2. Stufe für die naturwissenschaftlichen Lehrer grundsätzlich verwerfen,
wenn nicht die enge Vereinigung der Physik mit Mathematik zugleich
ein sehr eingehendes Studium mathematischer Disziplinen erfordern
würde. Abgesehen davon, daß die Zeitdauer des Studiums außerordent-
lich verlängert werden müßte, wäre es für die Mehrzahl der Studieren-
den unmöglich, mit dem gleichen Geschick die abstrakten Themata der
Mathematik neben den sinnfälligen der Chemie und Biologie in sich auf-
zunehmen. Inwieweit Lehrbefähigung für die Mathematik selber erstrebt
werden soll, müßte aus dem gleichen Grund den Neigungen des Einzelnen
überlassen bleiben. Für die dienstliche Tätigkeit ist derzeit die Erteilung
von Mathematikunterricht wenigstens in Mittelklassen unerläßlich. So-
lange die Zahl der Wochenstunden schematisch festgelegt wird, ohne daß
Unterschiede zwischen der Stundenzahl des Mathematikers und denen des
experimentierenden Chemikers gemacht werden, muß der Chemielehrer
schon aus Gesundheitsrücksichten darauf bestehen, daß ihm der mathe-
matische Unterricht zur Erleichterung seines Dienstes nicht vollständig
entzogen wird. Wenn also auch auf-den Lehramtskandidaten der Chemie
hinsichtlich des Besuchs mathematischer Vorlesungen kein Zwang aus-
geübt werden sollte, so ist doch auf alle Fälle Mathematik als Nebenfach
dringend anzuraten. Auch den Bedürfnissen der physikalischen Chemie
dürfte mit diesem Vorschlag hinreichend Rechnung getragen sein.
Das zwangweise Ausarbeiten philosophischer Abhandlungen, vorwiegend
erkenntnistheoretischer Art, ebenso wie der Besuch von pädagogischen
Seminaren wird vielfach schon während der Studienzeit verlangt. Die
Unterrichtskommission empfiehlt, diese Studien erst auf die zweite Studien-
hälfte zu verlegen, wo der Kandidat bereits über einen umfassenden
Stoff spezifischen Wissens verfügt. Uns scheint es dagegen vorteilhafter,
wenn alle derartigen theoretischen Studien auf eine noch spätere Zeit ver-
schoben werden, nachdem ihnen die Praxis des eigenen Beobachtens, der
persönlichen didaktischen Erfahrung schon einige Zeit vorangegangen sind.
Ich stehe nicht an, alle derartigen Studien in die Zeit des praktischen
Dienstes, etwa an das Ende des zweiten oder dritten Jahres nach dem