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Allgemeiner Teil.
nur eine Erziehung durch den Lehrerstand selber, zumal in der gegen-
wärtigen Zeit, wo durch unterstützende Vereine oft die unbrauchbarsten
Elemente gerade in den Schuldienst gedrängt werden. Wir schließen
uns darin gerne den Worten A. Maurers’%) an, die zwar in anderem
Zusammenhang aber in gleichem Sinn gesprochen sind: „Man soll auch
nicht alles von den Behörden erwarten, die Reform von unten zeigt sich
meist kraftvoller, wie die von oben. Aber es fehlt doch vielfach an Fach-
leuten, welche an Stelle des alleswissenden Schulrats den physikalischen
(und chemischen! Der Verf.) Unterricht besuchen, die Sammlungen revi-
dieren, überall anregen und, wo es nötig ist, auch einmal kräftig zupacken.
Des Pudels Kern ist ja eben der, daß unsere Schulen samt und sonders in
ihrem Fundament Sprachschulen sind, daß demgemäß unsere Schulräte
fast nur philologisch gebildet sind, und daß daher die wenigsten unter ihnen
von dem Bildungsgehalt der Naturwissenschaften die rechte Überzeugung
haben können. Man muß ja auch zugestehen, daß die Aufgaben, welche der
Betrieb dieser Wissenschaften den Mittelschulen in der Neuzeit gestellt
hat, so ganz neu sind, daß ihre Lösung nur tatkräftigen, strebsamen Leh-
rern gelingt. Die Überzeugung von dem Wert naturwissenschaftlicher
Bildung vermag sich dementsprechend gegenüber dem Übergewicht alt-
erprobter philologischer Schulung nur langsam durchzuringen.“
Die Lehrererziehung, welche Maurer in Form von „Zufassen‘‘ verlangt,
wird auch von anderer Seite in aller Deutlichkeit gewünscht. Man will
nicht gleich nach der Polizei rufen, wenn man wenigstens Ordnung in seinen
Räumen haben möchte. Aber die Kollegialität verbietet und verhindert
vollkommen, einen „unordentlichen‘‘ Kollegen zur Ordnung zu bringen
oder gar die Hilfe des Direktors dagegen in Anspruch zu nehmen. Als
Beispiel sei die Klage von Behrendsen”’) genannt, welcher auf einer Ver-
sammlung von Kollegen sich folgendermaßen äußerte, ohne Widerspruch
zu finden: „Wie nötig aber auch noch in unseren Tagen ein energisches
Eingreifen, ein gründliches Aufräumen mit einem Heer von Mißbräuchen
und Übelständen ist, das wird jeder erfahren, der die Gelegenheit hat, in
den Betrieb des physikalischen Unterrichts ein wenig tiefer hineinzu-
schauen. Zum Teil ist es Gleichgültigkeit und Interesselosigkeit, Mangel
an Geschick und Verständnis für experimentelle Behandlung, was den
Unterricht verkümmern läßt; oft aber auch wird ein williger und geschickter
Lehrer durch Mangel an brauchbaren Hilfsmitteln, an genügendem Raum,
durch Übelwollen und Schikane in seinen besten Bestrebungen gehindert,
Die Anstalten, an denen es normal hergeht, sind keineswegs in der Mehr-
zahl. Oft weiß selbst der Primaner noch gar nicht einmal, daß eine ganz
leidliche physikalische Sammlung an seiner Anstalt besteht. Dort gibt ein
vorzugsweise mathematisch begabter Kollege den Physikunterricht in der
Weise, daß er während der Stunde jeden Paragraphen des Lehrbuches vor-