Vorschläge zur Behandlung der Unterstufe. 217
fahrungsgebiet des naturgeschichtlich-biologischen Unterrichts. So eng
sich nun gerade die Atmung an zahlreiche Abschnitte der Biologie an-
schließen mag, und so dringend sich eine vorläufig abschließende Auf-
klärung gerade hierüber als notwendig erweisen wird: für einen wirklich
methodischen Unterricht ist die Luftanalyse aus technischen Gründen
nicht immer der beste Ausgangspunkt. Wo ein mehrjähriger Physik-
unterricht der erst später einsetzenden Chemie bereits den Boden geebnet
hat, dort besitzt der Schüler im allgemeinen schon die nötige Reife und
Erfahrung, um aus einfachen Beobachtungen verallgemeinernde Schlüsse
zu ziehen. Die Körperlichkeit des unsichtbaren, uns allseits umgebenden
Gases ist ihm dann nicht bloß auf Grund der physikalischen Versuche als
Tatsache bewiesen, sondern sie erscheint ihm in allen ihren Äußerungen,
ihrem physikalischen und chemischen Wirken beinahe selbstverständlich.
Fehlt aber diese Voraussetzung, so muß eben der Unterricht zunächst an
einem greifbaren, einem unzweifelhaften Körper im Sinne des Schülers,
physikalische und chemische Prozesse in bunter Reihe zeigen, damit der
Schüler daraus Art und Wesen der Chemie herausfinden kann.
Eine recht brauchbare Einleitung in den chemischen Unterricht geben
die zahlreichen Formen des kohlensauren Kalks. Als Kalkstein, Marmor,
Kreide, als Tuff oder als Kalkspat ist er überall und ohne Kosten zu-
gänglich. Gerade durch die Vielgestaltigkeit seines Vorkommens zeigt er,
daß die chemische Substanz als solche nicht durch die äußere Form be-
einflußt wird. Seine große Reaktionsfähigkeit gegenüber starker Hitze,
die Möglichkeit, die Spaltprodukte quantitativ zu gewinnen, das Ent-
stehen einer starken Base mit typischen Eigenschaften läßt das Calcium-
karbonat für chemische Elementarversuche ebensosehr empfehlen, wie
seine geringe Härte, seine Spaltbarkeit, seine Unlöslichkeit in Wasser zu
Kontrastversuchen physikalischer Art einlädt. Dem Zerkleinern des Mar-
mors, dem Aufschlämmen in Wasser, dem Abfiltrieren des Mineralpulvers,
dem Trocknen im Trockenkasten steht gegenüber das Brennen vor dem
Lötrohr, das Ablöschen im Probierglas, das Abfiltrieren des Kalkwassers,
die Destillation desselben. Durch Glühen wird der gelöschte Kalk wieder
zum gebrannten; dieser läßt sich wieder ablöschen usw. Das Kalkwasser
liefert, wenn man das „Kalksteingas‘“ einleitet, wieder das ursprüngliche
Karbonat mit allen seinen chemischen Eigenschaften. Berücksichtigt man
ferner, daß alle Spaltungen, wie auch alle Synthesen sich ebensoleicht
qualitativ wie quantitativ durchführen lassen, so erkennt man, daß die
Substanz des Calciumkarbonates ein geradezu ideales Material für einen
einleitenden chemischen Kursus abgibt. Nur wer die Materialien des
chemischen Unterrichts zu übersehen vermag, kennt die Schwierigkeit,
welche das Auffinden einer solchen möglichst vielseitig anregenden Aus-
gangssubstanz bietet, zumal bei den verbindlichen Schülerübungen!