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Allgemeiner Teil.
mag dem Ingenieur, dem praktischen Physiker oder sonst irgendeinem Nicht-
chemiker vielleicht als gleichgültig erscheinen. Wohl aber muß jedermann
schon zu seinem eigenen Vorteil wissen, daß das Eisen unter gewissen
Bedingungen rostet, daß es sich mit feuchter Luft und Salzlösungen nicht
ungestraft in Berührung bringen läßt. Nur der Chemiebeflissene fragt außer-
dem noch nach dem inneren Grund, warum das Eisen rostet und wie der
Prozeß verläuft. Hier greift die Frage nach dem Wie und Warum der ver-
schiedenen Wertigkeit unabweisbar ein. Die Schule, welche dem Anfänger
zunächst die Tatsache übermitteln wollte, muß also dem Vorgeschrittenen
den inneren Vorgang begründen, wenn sie nicht gedächtnismäßiges Wissen
will erlernen lassen, und muß zur weiteren Erklärung und Vertiefung
theoretische Untersuchungen verfolgen, welche eben rein wissenschaft-
licher Art sind.
Auf einen einleitenden Kursus, welcher mit Ende der Untersekunda
abschließt und meistens auch erst in dieser Klasse seinen Anfang genommen
hat, folgt darum naturgemäß an den realen Anstalten ein zweiter Teil
chemischen Unterrichts, in welchem die früher erworbenen Kennt-
nisse zusammengeschweißt und erweitert werden. Die sechsklassigen Real-
schulen verzichten auf diesen zweiten Teil des naturwissenschaftlichen
Unterrichts, ebenso die weiblichen Bildungsanstalten, soweit sie nicht den
Lehrplan der Oberrealschulen angenommen haben. Bei den letzteren
Anstalten muß also neben der Grundlage auch zugleich ein gewisser Ab-
schluß, ein weit gehaltener Überblick über das Gesamtgebiet erreicht wer-
den, welcher nur durch eine Vergrößerung des Umfangs auf Kosten der
intensiveren Behandlung einzelner Abschnitte möglich ist.
Die von der Gesellschaft deutscher Naturforscher und Ärzte eingesetzte
Unterrichtskommission verlangt in ihrem Bericht®) auf der Meraner
Versammlung von 1905 für den Unterricht in Chemie (nebst Mineralogie)
als Mindestmaß je 2 Wochenstunden von Untersekunda bis
Oberprima, welche neben dem bisher schon bestehenden physikalischen
Unterricht erteilt werden sollen. Außerdem beantragt sie für die
biologischen Fächer zusammen mit Geologie auf der obersten
Stufe je zwei Wochenstunden durch alle Klassen, so daß damit
der gesamte naturwissenschaftliche Unterricht der Oberklassen auf sieben
Wochenstunden kommen würde. Für siebenklassige Realanstalten bean-
tragte die Kommission chemisch-mineralogischen Unterricht in den zwei
obersten Klassen (Obertertia und Untersekunda). Die Kommission wurde
dabei von der Überzeugung geleitet, daß für das Verständnis der modernen
Kultur neben der Physik auch der Chemie eine ausgiebige Berücksichtigung
im Lehrplan der höheren Schulen gebührt als der grundlegenden Wissen-
schaft von den die gesamte uns umgebende Welt zusammen-
setzenden Stoffen. „Ein Verständnis für diese Beziehungen anzubahnen
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