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Besonderer Teil.
saures Kalium, die darin enthaltene Säure heißt Kieselsäure. Da sich der
Sand beim Glühen nicht verändert, ist er mutmaßlich nicht die freie Säure
selbst, sondern deren Anhydrid; diese Vermutung wird auch darum wahr-
scheinlich, weil der Sand nicht sauer reagiert. Die bisherigen Anhydride
(Schwefligsäuregas, Kohlendioxyd) waren Oxyde; darum ist auch hier die Ab-
scheidung eines Grundstoffes durch Reduktion zu erwarten. Als Demon-
strationsversuch wird Sand (statt dessen bequemer gut ausgeglühte Kiesel-
gur) mit der berechneten Menge Magnesiumpulver im schwerschmelzbaren
Probierglas reduziert. Nach dem Erkalten wird das Reaktionsprodukt
in Wasser eingetragen, wobei selbstentzündlicher Siliciumwasserstoff
auftritt. Diese Gasbildung erinnert an das Entstehen von Phosphorwasser-
stoff bei der Abscheidung des Phosphors, an den eigenartigen Geruch
beim Prüfen des Reduktionsproduktes aus Marmorpulver. Das braune
Silicium wird vorgezeigt, hierauf außerhalb der Unterrichtsstunde mit
Salzsäure gereinigt, abfiltriert und für später aufbewahrt. Ferner wird
bereits vorrätig gehaltenes braunes (amorphes) Silicium ebenso wie ge-
kauftes, aus Zink umkristallisiertes vorgezeigt und eine Probe der beiden
im Sauerstoffstrom erhitzt: das braune verbrennt zu weißem Oxyd, das
kristallisierte bleibt unverändert. Die beiden Formen des Siliciums sind
allotrop. Das Verbrennungsprodukt hat, wie der Lehrer jetzt berichtet,
die Zusammensetzung SiO, und ist identisch mit der Substanz des Sandes:
Kieselsäureanhydrid oder Siliciumdioxyd.
Jetzt wenden sich die Schüler an die Prüfung des käuflichen
Wasserglases. Die Flüssigkeit reagiert stark alkalisch: Kieselsäure ist
ıine sehr schwache Säure. Kohlendioxyd wird eingeleitet: selbst Kohlen-
säure vermag kieselsaure Salze zu zersetzen. Die Kieselsäure wird geradezu
als die schwächste aller bekannten Säuren bezeichnet. Auf dieser Reak-
sion beruht die chemische Verwitterung der Silikatmineralien
ınd damit die allmähliche Zerstörung der Urgesteine. In einem Probier-
glas wird die mäßig verdünnte Lösung des Wasserglases mit verdünnter
Salzsäure überschichtet und die Abscheidung der Kieselsäure beobachtet.
Dann wird mit dem Glasstab durchgerührt, mit Wasser verdünnt und die
Fällung auf dem Filter gesammelt. Die Gallerte trocknet beim Auf-
bewahren ein und wird dabei zum Dioxyd. Endlich wird eine sehr stark
verdünnte Lösung mit stark verdünnter Salzsäure im Becherglas zu-
sammengebracht und stehen gelassen; ganz allmählich scheidet sich eine
Kieselgallerte aus: also ist die frisch ausfallende Säure ein wenig löslich
gewesen. Damit wird erklärlich, daß zahlreiche Pflanzen Kieselsäure
zum Bau von Stützgeweben oder Waffen in sich aufnehmen können.
Unter der Lupe werden die scharfzackigen Ränder von Schilfblättern usw.
vorgezeigt, unter dem Mikroskop Kieselgur und Radiolarien betrachtet.
Ferner gehört ein Vorzeigen von verkieseltem Holz, Feuerstein mit deut-