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Besonderer Teil.
aufgenommen, wo es sich löst und der Flüssigkeit saure Reaktion erteilt:
selenige Säure. Die Lösung wird zur einen Hälfte aufbewahrt. Der Rest
wird mit einigen Kubikzentimeter Schwefligsäure versetzt, wodurch rotes,
pulveriges Selen ausfällt: Selendioxyd läßt sich sehr leicht reduzieren.
Der rote sich langsam absetzende Schlamm wird als eine allotrope Form
des Selens bezeichnet. Jetzt wird Selen im Kugelrohr im Wasserstoffstrom
erhitzt. Das Gas brennt blau: aus den Elementen bildet sich synthetisch
Selenwasserstoff SeH,. Dann wird das Gas für kurze Zeit in destilliertes.
Wasser eingeleitet, wo es sich löst, der Flüssigkeit saure Reaktion erteilt
und beim Stehen leicht rotes Selen abscheidet. Die Lösungen von Selen-
wasserstoff und Selendioxyd werden vereinigt, wodurch eine Fällung von
rotem Selen erfolgt: Selen verhält sich also in allen Punkten genau wie
Schwefel. Die rote Form des Selens kann auf dem Filter gesammelt, ge-
trocknet und mit der stahlgrauen hinsichtlich ihrer Löslichkeit in Schwefel-
Kohlenstoff verglichen werden. Die Umwandlung der roten Form in die
stahlgraue würde dagegen eine größere Menge Material erfordern als dem
Unterricht zur Verfügung steht. Auf die Bildung eines Selenids wird ver-
zichtet, wohl aber die Zusammensetzung der Eisenverbindung genannt,
ebenso unterbleibt auch die Darstellung reinen Selenwasserstoffs: das Gas ist
sehr giftig und darf auf keinen Fall in das Unterrichtszimmer ausströmen.
Dann wird eine Lösung von Selensäure vorgezeigt, welche außerhalb der
Stunde durch Oxydation von Selen mit Salpetersäure bereitet wurde. Die
saure Reaktion und die Wirkung eines Tropfens der Lösung auf Barium-
chlorid wird gezeigt, die Zusammensetzung und Formel genannt. Hierauf
vergleicht man Sauerstoff, Schwefel und Selen nach Vorkommen, physika-
lischen und chemischen Eigenschaften, nach Darstellung, Zusammensetzung
und Eigenschaften der Verbindungen. Hierbei kommt die vollkommene:
Analogie der drei Elemente zum Ausdruck. Nach Verbindungsgewicht ge-
ordnet, entsteht zugleich eine Anordnung nach dem Schmelzpunkt, Siede-
punkt, spez. Gewicht, zunehmender Farbe, Glanz, metallischem Habitus
und Bildung allotroper Formen. Hieraus wird verallgemeinert: die drei
Elemente bilden eine Gruppe oder Familie chemischer Elemente.
Der deutlichste Träger der Familieneigenschaften ist nicht das erste
sondern das zweite Element. Ganz abgesehen davon, daß nicht sämtliche
Aggregatformen des Sauerstoffs so ohne weiteres zugänglich sind: man
kann weder von Oxyden des Sauerstoffs sprechen, noch von Säuren, welche
sich von diesen Oxyden ableiten würden. Dieser Hinweis ist sehr wichtig.
Später, bei der Zusammenfassung der Elemente kann nachgewiesen wer-
den, daß nicht bloß in der Schwefelgruppe, sondern allgemein in sämt-
lichen Gruppen immer das erste Glied der Familie Abweichungen vom
allgemeinen Typus zeigt, und daß der Familiencharakter stets beim
zweiten Element am deutlichsten entwickelt ist. Die Zusammengehörig-