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Allgemeiner Teil.
Vorgang plausibel gemacht wurde, vollzieht sich bei gleichbleibendem Er-
gebnis unter den verschiedensten äußeren Erscheinungen: Der eiserne
Nagel rostet und wird brüchig, ob er an der feuchten Luft liegt oder ob er
im Ofen ausgeglüht wurde. Die Pflanze erkrankt und stirbt ab, wenn
sie zuviel Wasser bekommt, so gut wie wenn sie überhaupt nicht begossen
wird. Das Schulbeispiel für chemische Stoffänderung, die menschliche Er-
nährung, liefert das gleiche Ergebnis, ob die Nahrungsmittel nur aus Ge-
müse und Obst, oder ob sie aus Brot und Fleisch bestehen. So fehlt dem
Schüler die Erkenntnis einer chemischen Gesetzmäßigkeit jeder Anhalt
aus der täglichen Erfahrung. Was soll beispielsweise die Behauptung des
Lehrers unterstützen, daß Schwefel und Eisen sich immer und immer im
Verhältnis 4:7 vereinigen? Der einzelne Versuch ist ja sicher noch
nicht beweiskräftig. Wenn der Schüler den einfachen Versuch zu Hause
nachprüft, so kommt er für seine Empfindung mit einer Mischung von
33% Schwefel ebensogut zum Ziel, als wenn er 40% verwendet. An sich
schon ist darum die Synthese des Schwefeleisens für die Schule kein
glücklich gewähltes Beispiel, um die Einführung in das wichtigste Grund-
gesetz zu übermitteln. Aber selbst wenn das Verhältnis 4:7 einwand-
frei gezeigt wurde, ist diese Zahlbeziehung nicht vielleicht eine zufällige,
von den Versuchsbedingungen veranlaßte? Erst eine mehrmalige Wieder-
holung unter verschiedenen äußeren Begleitumständen könnte darüber end-
zültigen Aufschluß geben. Auch die Wissenschaft begnügt sich ja nicht
mit einem einmaligen Versuchsergebnis. Das Zeitraubende und Ermüdende
einer mehrmaligen Wiederholung könnte vielleicht dadurch umgangen
werden, daß man an verschiedenen Objekten und zu verschiedenen Zeiten
'mmer wieder messende und wägende Versuche ausführt und das ge-
*undene Resultat mit demjenigen vergleicht, welches man in anderen
Schuljahren erhalten hatte. Jedenfalls aber bedarf es zur Erkenntnis
chemischer Gesetze einer weitläufigeren Untersuchung und Prüfung als
bei der Ableitung physikalischer Gesetze, deren Unabhängigkeit von der
Substanz von vornherein feststeht.
Was am vorstehenden Beispiel für die quantitative Behandlung des
Stoffes ausgeführt wurde, gilt allgemein für jede Art Messung und zugleich
für jede Art von Gesetzen überhaupt. Wir haben nicht das Recht, das
Boylesche oder das Gay-Lussacsche Gesetz als allgemeingültig auszusprechen,
nachdem es allein für Luft abgeleitet ist. Mit dem gleichen Recht möchte
sonst das Volumverhältnis Wasserstoff zu Sauerstoff auch auf die Syn-
these des Chlorwasserstoffs übertragen werden! Indem das Gesetz erst
ausgesprochen wird, nachdem seine Äußerungen schon an mehreren Fällen
in der Praxis zur Erscheinung kamen, gewinnt es an Deutlichkeit und
findet größeres Verständnis. Ein Naturgesetz, welches in seinem Zusammen-
hang abgeleitet und ausgesprochen wird, muß dem Schüler „selbstver-
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