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Die Weiterbildung im Amte.
in Anspruch, daß ich zum Forschen keine Muße finde. Man wird diesen Ein-
wurf ohne weiteres gelten lassen; Treue im Hauptberuf ist unter allen Um-
ständen unsere erste Pflicht. Aber wir werden ein leises Bedauern nicht unter-
drücken können, daß ein solcher Amtsgenosse nicht dann und wann Gelegen-
heit findet, die Enge der Schularbeit zu verlassen und 'sich am Born. der
Wissenschaft neue Schaffensfreude zu holen. Und welche Fächer könnten sich
besser eignen, ein Gegengewicht gegen die Stubenarbeit des Lehrers zu bieten,
als jene, die hinauslocken ins’ Freie, wie die Erdkunde und die Naturwissen-
schaften ?
Die Möglichkeit für den Erdkundelehrer, sich wissenschaftlich weiter zu
betätigen, ist außerordentlich vielseitig. Vielleicht wird er dort weiter bauen,
Wo er mit seiner Doktorarbeit festen Fuß gefaßt hat — er braucht dann
unseren Rat nicht. Nur auf ein Gebiet, das uns allen gleichmäßig am Herzen
liegen sollte, sei hier hingewiesen: die Heimatforschung. Wie für den
Naturwissenschaftler an einer höheren Schule, so müßte es auch für den Ver-
treter der Erdkunde eine selbstverständliche Pflicht sein, daß er sich zu einem
wirklichen Kenner der engeren und weiteren Umgebung seines Schulortes
heranbilde und daß er schließlich auch mit neuen Bausteinen das Gebäude der
Heimatkunde erweitern helfe. Gibt es wohl etwas Reizvolleres für einen
jungen Lehrer, den das Schicksal in einen neuen Amtskreis gestellt hat, als
dort sich mit allen Mitteln wissenschaftlich heimisch zu machen? '
Welche Wege zu diesem Ziele führen, ist rasch gekennzeichnet. Der Lehrer
wird sich zunächst sämtliche amtlichen Kartenblätter der Umgebung —
Reichskarte, wie Meßtischblätter — verschaffen und die ganze Gegend plan-
mäßig nach allen Richtungen durchstreifen. Auch wenn er sich dabei nur
ganz äußerliche Wege- und Ortskenntnisse aneignet, ist dies eine wichtige
Vorstufe zum tieferen Eindringen. Ist sein Gebiet so reich an Naturschön-
heiten, daß es auch von Fremden viel aufgesucht wird, so ist sicher auch ein
Reiseführer im Buchhandel zu haben. Insbesondere mögen die, die in eine
Großstadt versetzt werden, nicht versäumen, das ganze Stadtgebiet gewissen-
haft an der Hand eines Reisebuches zu durchstreifen. Es ist verblüffend, wie
vieles an neuen Entdeckungen selbst alteingesessene Großstädter auf diese
Weise machen können!
Die nächste Aufgabe ist, die geologischen Spezialkarten für die Wande-
ungen heranzuziehen. Zu ihrem Verständnis ist nicht nur das Studium der
besonderen Erläuterungshefte nötig, sondern. auch der Überblick über das
größere Gebiet, dem unsere Heimat einzugliedern ist. Es sei erinnert vor allem
an die Blätter der bei J. Perthes erschienenen Geologischen Karte des Deut-
schen Reiches in 1: 500000 und an das dazu gehörige Werk von Lepsius},
ferner an die schönen Übersichtsblätter, wie sie z. B. von den geologischen
* Rich. Lepsius, Geologie von Deutschland und dem angrenzenden Gebiet. Stutt-
gart, Engelhorn. Bd. I u. Il