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Ziel des erdkundlichen Unterrichts.
Mitteilen durch Rede, Schrift oder Zeichnung. Jede Unterrichtsstunde
soll in gewissen Sinne Deutschunterricht sein, soll die sprachliche Ausdrucks-
fähigkeit der Schüler steigern helfen. Die üblichen Aufsätze allein genügen
bei weitem nicht; im Gegenteil, sie kranken oft am Fehler des Papierdeutsch,
weil das Kind nicht über innerlich Erlebtes spricht und weil es seinen Gedanken
geschraubte, nicht dem Alltagsleben entnommene Formen verleiht. Es ist
vieles besser geworden — die literarischen Themen treten allmählich hinter
solchen aus dem jugendlichen Erfahrungskreis zurück — aber der Deutsch-
lehrer klagt oft über Mangel an sinnfälligen Stoffen, die aus seinem Unter-
richtsbetrieb herauswachsen. Reiche Fülle bietet hier der Erdkundeunter-
richt — vorausgesetzt, daß er nicht alles Wissen der Schüler durch Fragen in
kleinste Teile zerhackt, sondern zusammenhängende Rede zu ihrem Rechte
kommen läßt. Jede Besprechung eines Wandbildes z. B. müßte mit einem
kleinen, schlichten Schülervortrage abgeschlossen und gekrönt. werden.
Neben das Wort tritt im erdkundlichen Unterricht als gleichwertig die
Zeichnung. Wenn durch die Reihen der Zeichenlehrer gegenwärtig das leb-
hafte Streben geht, die Zeichnung als ebenbürtiges Ausdrucksmittel‘ des
Seelenlebens neben die Schrift zu setzen, so ist der Erdkundelehrer mit dem
Naturwissenschaftler ihr natürlicher Bundesgenosse.
Wie jeder Unterricht bestrebt ist, an der allgemeinen Schulung der Denk-
fähigkeit mitzuarbeiten, so muß er auch die Entwicklung des Gefühls-
lebens fördern. Schließlich ist ja fast jedes. Denken von einem Gefühlsunter-
ton begleitet, sei es auch nur das unbestimmte Lust- oder Unlustgefühl,
das seinen Ursprung in dem mehr oder weniger. ungehinderten Ablauf der
Gedankenketten hat. Je konkreter der Stoff, je mannigfaltiger, je mehr ver-
knüpft mit dem bereits vorhandenen Seeleninhalt, um so leichter werden bei
seiner Aufnahme Lustgefühle erregt, um so leichter lassen sie sich steigern
zur Freude an der neu errungenen Wahrheit, zum dauernden Inter-
esse. Und diese Freude an der wachsenden Erkenntnis führt weiter hinüber
zum Kraftgefühl und Selbstvertrauen. Gewiß, jeder Unterricht soll
zu diesem Ziele führen — aber nicht jedem ist es so leicht, weil nicht jeder so
in einer reichen Erfahrungswelt wurzelt wie der erdkundliche. Unter allen
Sondergebieten der Gefühlswelt wird keines so im Erdkundeunterricht be-
rührt wie das Gefühl für Naturschönheit. Es gibt ein naives Gefühl für
Kunst- und Naturschönheit, das nicht anerzogen zu werden braucht, das in
empfindsamen Seelen auch ohne jeden Unterricht lebt. Aber wie ein musika-
lisch Gebildeter zweifellos aus dem Anhören einer Beethovenschen Symphonie
einen reicheren Gewinn für sein Gefühlsleben zieht als der Naive, der nur die
Freude am Klang an sich mitbringt, so bietet eine Landschaft dem Geo-
graphen einen höheren ästhetischen Genuß als dem Laien, weil er durch fort-
gesetztes Zergliedern tiefer eindringt in die innere Harmonie des Bildes. Man
lese z. B. die feinsinnigen, halb wissenschaftlichen, halb künstlerischen Aus-