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Naturanschauung,
Die jüngste Entwicklung unserer Schulreform dürfte übrigens dem Freiluft-
unterricht weitere Entwicklungsmöglichkeiten bieten.
Wie soll draußen im Freien die geistige Zucht aufrecht erhalten werden?
Soviel ist klar: die gleiche Ruhe, der gleiche militärische Drill wie im Klassen-
zimmer läßt sich draußen nicht erzielen. Dazu kommen zu viele Ablenkungen
in das Blickfeld des Schülers. Er, der eben erst lernen soll, die Augen zu
öffnen, kann nicht gleichzeitig schon die viel größere Kunst beherrschen, sie
zu schließen für alles, was nicht zur augenblicklichen Untersuchung gehört.
Außerdem treten manche Ereignisse ein, die zwar’ nicht in die zu erarbeitende
Gedankenreihe passen, die aber vom Lehrer gern beim Schopfe gefaßt werden.
So erfordert der Lehrausflug vom Lehrer eine große geistige Beweglichkeit
und Schlagfertigkeit,. vor allem ein gründliches Wissen gegenüber den zahl-
reichen unvorhergesehenen Fragen seiner Schüler. Wer diese Eigenschaft
nicht besitzt, dem werden auch bald die Zügel der äußeren Zucht entgleiten
— und damit wird der Unterrichtsgang zum Vergnügungsbummel.
Die äußeren Schwierigkeiten lassen sich mindern, wenn die Zahl der
Teilnehmer beschränkt wird. Aber der Mangel an Zeit wird den Lehrer
meist zwingen, die ganze Klasse, auch wenn sie 40 und mehr Schüler umfaßt,
hinausführen. Dann ist etwas militärischer Einschlag gut. Man lasse im
Zuge marschieren, drille die Schüler auf ein paar Pfeifensignale, z. B. Antreten!
Reihen schließen! Aufstellen zum Unterricht! Die geeignetste Aufstellung
bei längeren Erläuterungen ist das Viereck, wobei der Lehrer die vierte Seite
allein einnimmt.
Der Lehrer versäume nicht, auf genaue Zeiteinteilung zu halten, An-
3aben über Erreichung des Treffpunktes, über vermutliche Heimkehr zu
machen, für geeignete Rast und etwaige Verpflegung Sorge zu tragen. Er
vergesse nie, daß namentlich die Eltern jüngerer Schüler oft recht ängstlich
sind und von ihm die größte Umsicht erwarten. (Gewitter, kleine Unfälle !)
Alles dies macht die Verantwortung groß. Aber bei einiger Erfahrung wird
sich bald die anfängliche Scheu des Lehrers legen — vor allem wird er er-
kennen, daß das Schreckgespenst der Haftpflicht dem gewissenhaften
Lehrer kaum etwas anhaben kann.
In Sachsen sind bereits seit Jahren besondere Wandertage eine behörd-
lich vorgeschriebene Schuleinrichtung geworden. Durch Vereinbarungen
Kräfte zum Freiluftunterricht herangezogen werden; denn die Anregungen können nicht
vielseitig genug sein. Vielfach wird der Vertreter der Erdkunde dem jeweiligen Führer
auch eine Sonderaufgabe mit auf den Weg geben. Besonders kann die verständige Be-
nutzung der Wanderkarte auf allen Ausflügen gefördert werden, aber die grundlegende
Anleitung hierzu, im Zimmer-, wie im Freiluftunterricht, fällt dem Erdkundelehrer zu.
Vgl. H. Fischer, Der erdkundliche Ausflug und die Schulen, Mitt. d. Pr. Hauptstelle f.
d. nat. Unt, 1919. Dagegen die vielseitigen Anregungen bei P, Urbahn, Über erdkund-
liche Ausflüge. Ebenda.