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Der Schulatlas.
Grad der Verallgemeinerung. Ein Unterstufenatlas, der in dieser Rich:
tung methodisch aufbauend vorginge, der die Schüler von den roheren Dar-
stellungsweisen — die: dem Kinde ebenso wie dem Kindheitszustande der
Kartographie entsprechen — fortführt zu der wissenschaftlich anerkannten
Zeichensprache, ist noch nicht gezeichnet worden. Ja, er widerspricht gerade-
zu den Forderungen hervorragender Methodiker. So schreibt Zondervan:
„Stets müssen nicht nur die Karten derselben Stufe hinsichtlich der Auswahl
der dargestellten Objekte und der technischen Ausführungen nach denselben
Prinzipien entworfen sein, sondern dasselbe gilt ebenfalls von den verschie-
denen Arten. Allein inhaltlich dürfen die Blätter der beiden Stufen Unter-
schiede zeigen, während hingegen die Projektion, der Maßstab, die Signaturen,
Terraindarstellung und Farbenauswahl genau übereinstimmen müssen, da-
mit der Schüler auf den Karten der höheren Stufe sofort alles wiederzufinden
vermag, was er in der unteren Stufe in einfacherer Gestalt kennengelernt hat.‘“
Ist dieser Gedankengang wirklich pädagogisch einwandfrei? Zunächst:
welche Symbolik, welche Geländedarstellung ist die wissenschaftlich richtige ?
Noch gehen die Wege weit auseinander, und es kann nicht Aufgabe der Schule
sein, ihre Zöglinge auf die Technik irgendeines Kartenverlags einzustellen und
sei diese noch so hervorragend. Das Leben bringt uns mit den mannigfachsten
Kartenwerken in Berührung; wir sollen Meßtischblätter und Generalstabs-
karten ebenso lesen können wıe den großen Stieler, eınen Reiseführer von
Baedeker oder Meyer, eıne plakatartige Reliefkarte oder eine schematische
Strichzeichnung. Dazu genügt es nicht, daß man auf einigen Probeblättern
in ein, zwei Stunden alle Darstellungsweisen überblickt und dann neun Jahre
lang nur Karten einer Technik verwertet, Der Schüler soll vielmehr
Gelegenheit haben, nacheinander verschiedene Darstellungs-
weisen durch fortgesetzten Kartengebrauch lesen und in ihren
Vorzügen und Nachteilen würdigen zu lernen. Wenn wir diesen
Grundsatz anerkennen, so müssen wir folgenden methodischen Weg ein-
schlagen: von gröberen, leicht lesbaren, zeichen- und wortarmen
Karten fortzuschreiten zu den vollkommeneren und stoff-
reichen unserer wissenschaftlichen Atlanten und amtlichen
Landesaufnahmen. Man überlege sich nur, welche ungeheure wissen-
schaftliche Arbeit zu leisten war, ehe die Kartographie etwa auf die Verwen-
dung der Lehmannschen Schraffenskala oder der vieltonigen. Peuckerschen
Farbenplastik oder der‘ Zeichenfülle unserer neuen Meßtischblätter kam!
Hieße es nicht — grob gesprochen — „Perlen vor die Säue werfen‘, wenn man
Sextanern ein Kartenbild Deutschlands in der unendlich feinen Kupferstich-
arbeit der Sfielerschen Vierblattkarte bieten wollte? Und nicht nur die Technik
hat einen langen, dornenvollen Weg der Entwicklung durchlaufen; auch das
menschliche Auge hat sich erst allmählich daran gewöhnt, die schwierige
Zeichensprache der Landkarte zu verstehen. Es wäre dem Pädagogen recht