Erdkundliche Lesebücher.
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Neben den Hinweisen, wie der Lehrer selbst sich schulen soll, seien noch
einige Winke für die Unterrichtspraxis gegeben.
t. Der Lehrer erforsche möglichst oft und gründlich den Gedankeninhalt
seiner Schüler. Er stelle nicht nur fest, was an erdkundlichen Unterweisungen
bereits erledigt ist, welche Landschaften insbesondere durch reichliche Ver-
wendung von Anschauungsmitteln vorgeführt worden sind, sondern er küm-
mere sich auch um die jeweiligen Fortschritte in Naturkunde, Naturlehre,
Geschichte, Deutsch. Denn „jeder Schilderer wählt die Vergleiche, die seinen
Hörern und Lesern am verständlichsten sind‘‘ (Ratzel).
2. Er sorge dafür, daß ein kleiner Schatz von Naturanschauungen im
sicheren Besitz aller Schüler ist.
3. Er passe sich in der Sprache ganz dem Standpunkte der Schüler an. Ein
Sextaner, der noch mit Bleisoldaten spielt, will anders erzählt haben als ein
Vierzehnjähriger oder ein Oberprimaner. Die schönsten Wortbilder sind wert-
los, wenn sie in der Seele des Hörers noch keine Resonanz hervorrufen können!.
Die Schüleraufsätze geben ein gutes Spiegelbild nicht nur von der sprach-
lichen Reife ihrer Verfasser, sondern auch von dem Vorstellungsreichtum. Sie
seien deshalb zur gelegentlichen Durchsicht auch dem geographischen Fach-
lehrer warm empfohlen. Ganz besonders lehrreich ist es für letzteren, wenn
eine von ihm gegebene Schilderung als Aufsatz bearbeitet worden ist. Es gibt
keine bessere Prüfung für das entworfene Gemälde als ein solches aus 30 bis
40 Seelen verschiedenfach reflektiertes Spiegelbild!
4. Der Lehrer hebe die ruhige, mehr auf künstlerische Stimmungsmalerei
angelegte Schilderung für die reiferen Schüler auf und wähle für die Unter-
stufe möglichst oft das Mittel, das räumliche Nebeneinander in ein zeitliches
Nacheinander aufzulösen.‘ Das erleichtert nicht nur ganz wesentlich den see-
lıschen Vorgang des Aufbaues, sondern es entspricht auch dem Bedürfnis der
Jugend nach Handlung, nach persönlichem Miterleben. Eigene Reise-
erlebnisse, wenn auch „Dichtung und Wahrheit‘, dienen hierzu ebenso gut
wie die fremder Personen. Hübsche Beispiele von lebensvollen Schilderungen
bieten z. B. Tischendorfs Präparationen?; aus der Jugendliteratur seien be-
sonders die trefflichen Bändchen Sven Hedins „Von Pol zu Pol‘ zur An-
regurg empfohlen.
5, Das Wichtigste zum Gelingen der Schilderung ist die innere Wärme, die
von dem Redner ausstrahlt, die seine Hörer durchglüht und sie aufnahme-
fähig macht. „Ich möchte sagen: Wenn der Geograph schildert, müsse sich
ı Ein Beispiel hierzu ist Ewald Banses Buch „Die Türkei“ (Braunschweig 1915), das
reich ist an eigenartigen Schilderungen, oft geradezu sprachschöpferisch — aber mit Ver-
gleichen, die nur dem vielseitig Gebildeten etwas zu sagen vermögen. Man vgl. hierzu
E. Banse, Expressionismus und Geographie. Braunschweig 1920. — Ders, Künstlerische
Geographie, In: Die Neue Georgaphie, 1922, 1. H. a
2 Julius Tischendorf, Präparationen für den geographischen Unterricht an Volksschulen,
5 Bände. 6. Aufl. Leipzig, E. Wunderlich 1906,