Stoffmenge des Lehrbuches.
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sprecher gefunden. In der Tat ist eine eindeutige Antwort auf die Fragen
kaum möglich. Man wird recht wohl in einem Lehrbuch alle genannten
Methoden anwenden können. Der Wechsel kann zunächst durch das Alter der
Schüler begründet werden. Entschließt man sich z. B., einem Sextaner über-
haupt einen Leitfaden in die Hand zu geben (in Preußen ist dies durch die
Lehrordnung verboten), so möge man bedenken, wie wenig geschickt ein
solcher Schüler zu selbständiger Hausarbeit ist. Hier muß das Buch so viele
Hilfen als möglich bieten. Der Stoff muß in einfachste Satzform geprägt wer-
den, aber so, daß der sprachlich unbeholfene Schüler ein. Muster der Dar-
stellung findet, das er in Ermangelung eigener Ausdrucksfähigkeit nur an-
nähernd wörtlich nachzuahmen braucht.! Auch Aufgaben zur gleichzeitigen
Benutzung der Landkarte sind hier am Platze, ebenso einige Muster zur An-
fertigung einfachster Faustskizzen.
Auf der Mittelstufe kann bereits das Schwergewicht auf die Übersichtlich-
keit, die Leichtigkeit des Einprägens gelegt werden, während die stilistische
Ausformung teilweise dem Schüler überlassen wird. Doch mag auch hier der
Erdkundeunterricht in den Dienst «der sprachlichen Bildung treten, indem
das Buch musterhafte Schilderungen aus klassischen Werken in wörtlicher
Wiedergabe bringt. Geistbeck hat in dem Leitfaden für bayrische Mädchen-
schulen von diesem Mittel Gebrauch gemacht, ebenso die sächsische Ausgabe
des Fischer-Geistbeck. Harms bringt im letzten Bande seiner „, Erdkunde in
entwickelnder, anschaulicher Darstellung“ viele Reiseberichte aus Amerika.
Trotzdem möchte ich das bisher Geleistete noch nicht für musterhaft ansehen:
es stellt sich in der Praxis oft heraus, daß solche Stellen sprachlich oder in-
haltlich der Altersstufe der Schüler nicht hinreichend angepaßt sind. Damit
schwächt sich der bildende, zur Nachahmung anreizende Einfluß der Lese-
proben erheblich ab. Anders ist es, wenn man auf der Oberstufe die Größen
der erdkundlichen Wissenschaft ausführlich zu Worte kommen lassen will.
Die preußischen Bestimmungen haben nach dieser Hinsicht stark anregend
gewirkt; mehrere erdkundliche „Lesebücher‘“ sind als Ergänzungen der Leit-
fäden herausgekommen — wenn man vielfach auch lediglich den von außen
wirkenden Druck, weniger das innere Bedürfnis der Bearbeiter herausfühlt.
Unter das Kapitel „Lehrbuch und Schüler‘ gehört auch die viel um-
strittene Frage: Soll der Leitfaden ein Mindest- oder Höchstmaß
von Stoff enthalten; soll er zu weiteren, selbständigen Studien anregen ?
Wenn man erwägt, daß an unsere Schüler die verschiedenartigsten wissen-
schaftlichen Anforderungen gestellt werden, daß sie meist ihr vollgerütteltes
Maß von Hausarbeiten zu bewältigen haben, so wird man geneigt sein, für
eine weise Beschränkung des Stoffes einzutreten. Die Benutzung des Buches
ı Wieviel in der Anpassung des Leitfadens an die Altersstufe des Schülers noch zu wünschen
übrig bleibt, dazu vgl. Seb, Schwarz, Altersstufen im Erdkundeunterricht. Geogr. Anz.
1924, S. 3—4,