Lehrformen: Das Lehrgespräch.
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nicht aus, dazu ist die zu „findende‘“ Stoffmenge zu groß; der Umwege und
Irrwege sind zu viele,
4. Das Lehrgespräch.
Für den Lehrer der alten Schule bestand der Inbegriff aller Lehrkunst in
der „Katechese‘“, einer zwangsläufigen Aneinanderreihung von Fragen und
Antworten. Die Fragestellung mußte so bestimmt, so eindeutig sein, daß nur
eine Form der Antwort möglich war. Und versagte der Schüler aus Mangel an
Aufmerksamkeit oder an Logik, so mußte die erwartete Antwort durch einige
„Hilfsfragen‘“ erschlichen werden. Dieses Verfahren setzte beim Lehrer eine
große Fragegeschicklichkeit voraus, zugleich eine solche Stoffbeherrschung,
daß er sein ganzes Augenmerk dem äußeren Unterrichtsgang widmen konnte.
Vom Schüler aber verlangte die Katechese ein völliges Aufgehen in dem Ge-
dankengange des Lehrers, einen Verzicht auf jede frei aufsteigende Meinungs-
äußerung oder gar einen Widerspruch — so war sie zugleich der äußere Aus-
druck des strengen Autoritätsverhältnisses zwischen Lehrer und Schüler.
In dem Maße wie dieses Verhältnis freundschaftlicher, kameradschaftlicher
wurde, änderte sich auch die Form des Lehrgesprächs. Der Schüler wurde
nicht nur gefragt, er durfte selbst fragen und Entgegnungen, selbst Zweifel
äußern. Die starre Form der Katechese löste sich in lebendige Wechselrede
auf, bei der der Lehrer gelegentlich sich mit der Rolle des Verhandlungsleiters
begnügte. Es bedarf keines weiteren Beweises, daß diese Lehrform einen be-
deutenden Fortschritt darstellt. Sie läßt sich im Laufe der Schuljahre mannig-
fach abändern. Es schadet durchaus nichts, wenn im Sextanerunterricht zu-
nächst scharf formulierte ausführliche Fragen vorwiegen und ebenso ausführ-
liche Antworten verlangt werden. Das fördert die geistige Zucht und die
Sprechfertigkeit. Allmählich stellt sich dann heraus, daß gewisse Fragen in
annähernd gleicher Reihenfolge wiederkehren. Dann ist es Zeit für den Lehrer,
Worte zu sparen und die Frage durch einen kurzen Hinweis, einen Wink, ein
Stichwort zu ersetzen, und wo sich’s um Namenwissen und Kartenlesen
handelt, wird bald auch die Schülerantwort sich im „Depeschenstil‘““ abfassen
Jassen. Innerhalb schwieriger Denkarbeit, im Gange der Entwicklung, ist es
selbst bei älteren Schülern nicht immer ratsam, auf die ausführliche Antwort
zu verzichten. Hinter der schlechten Form verbirgt sich allzu oft
Gedankenunklarheit! Auf der Oberstufe streben wir eine Gesprächsform
an, die zum „Kolloquium“ der Hochschule oder zum straff gezügelten „parla-
mentarischen‘“ Betrieb hinüberleitet. Dreierlei gilt es dabei anzuerziehen:
1. zusammenfassende Darstellung einer längeren Gedankenkette, 2. geistes-
gegenwärtiges Eingehen auf die Einwürfe des Gegners, 3. kurze gedrängte
Darstellungsform. Wenn man bedenkt, wieviel staatsbürgerlich belehrenden
Stoff die Oberstufe des erdkundlichen Unterrichts bieten kann und soll, wird
man auch diese äußerliche Seite der Erziehung zum Staatsbürger nicht gering
einschätzen.