Full text: Allgemeiner Teil (6. Band, 1. Teil)

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Wesen der Erdkunde. 
der. Organismen, 5. Geschichte der Erdkunde. Mit seiner Ablehnung der 
Kulturgeographie hat er freilich unter den gegenwärtigen Geographen kaum 
noch Anhänger — er selbst hat übrigens die von ihm gesteckten Grenzen als 
Hochschullehrer durchaus nicht innegehalten, sondern vortreffliche Vor- 
lesungen über Völkerkunde abgehalten!! . 
Neben dem Geophysiker Gerland sei der Geolog-Geograph Albrecht Penck? 
als Vertreter der naturwissenschaftlichen Seite der Erdkunde genannt. Ihm 
liegt nach seiner ganzen Forschungsrichtung vor allem an einem gründlichen 
Ausbau der Morphologie der Erdoberfläche, der nur gewährleistet 
wird, wenn die Geographie in erster Linie eine Beobachtungswissen- 
Schaft ist. 
Die geographischen Kenntnisse können nicht nach dem Buche und nach 
der Karte allein gewonnen werden; sie müssen auf einen eisernen Bestand 
durch eigene Anschauung erworbener Vorstellungen aufgebaut werden. 
„Tüchtige morphologische Schulung bei entsprechender geologischer Basis 
wird den Geographen in die Lage versetzen, die Formen des bereisten Gebietes 
wenn auch nicht in allen Einzelheiten topographisch festliegend, so doch ihrem 
Wesen nach so zu erkennen, daß er sie besser darzustellen vermag als jener 
Mappeur, der nur Fixpunkte und Dreiecksseiten kennt und nicht weiß, was 
darinnen liegt.‘ Daraus ergibt sich die Forderung, daß die Erdkunde wieder 
engere Fühlung mit der Kartographie gewinnen muß. Die objektive Be- 
obachtung muß natürlich stets gefolgt sein „von subjektiver Interpretation 
und Kombination; aber die Beobachtung bleibt in der Geographie wie 
in jeder konkreten Wissenschaft der Kernpunkt‘. In den Mittelpunkt seiner 
eigenen Forschertätigkeit stellt Penck jenen Teil der Erdkunde, den die 
Amerikaner (z. B. Davis) Physiographie nennen, wofür er selbst aber den 
bezeichnenderen Ausdruck Physiogeographie® vorschlägt. Aus der Geo- 
logie, besonders der Tektonik hervorgegangen, deckt sich die Physiographie 
doch weder mit dieser noch mit der Geophysik. Sie erklärt die Formen der 
Erdoberfläche genetisch; sie stellt Entwicklungsreihen oder Zyklen 
ı Man vergleiche auch seine umfassende Bearbeitung der „Anthropologie der Natur- 
völker‘“ von Th. Waitz. 
* A. Penck, Die Physiographie als Physiogeographie in ihren Beziehungen zu anderen 
Wissenschaften. Geogr. Zeitschr. 1905. — A. Penck, Beobachtung als Grundlage der 
Geographie. Abschiedsworte an meine Wiener Schüler und Antrittsvorlesung a. d. Univ. 
Berlin, Berlin 1906. — E. Tiessen, Beobachtende Geographie und Länderkunde in ihrer 
neuesten Entwicklung, Verh. 16. Dtsch. Geogr.-Tag zu Nürnberg 1907. 
+ Es ist selbstverständlich, daß Penck als akademischer Lehrer die Aufgaben der wissen- 
schaftlichen Erdkunde nicht einseitig morphologisch faßt, wie es nach vorstehendem 
scheinen könnte. In seiner jüngsten methodologischen Veröffentlichung erklärt er viel- 
mehr als ihr Ziel „die Betrachtung der Erdoberfläche und der Wechselwirkung der auf ihr. 
spielenden Kräfte‘, wobei der Mensch selbst als Faktor erscheint, der seine Umwelt beein- 
flußt und somit zum Gegenstand geographischer Betrachtung wird. — A. Penck, Ziele 
des geographischen Unterrichts. Mitt. d. Preuß. Hauptstelle f. d. nat. Unt. Berlin 1919.
	        
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