Analytischer und synthetischer Lehrgang. 271
2. Synthetischer Lehrgang. Die Synthese baut aus den Teilen das
Ganze auf, das heißt für die gesamte Stoffanordnung: Wir beginnen mit der
kleinsten und nächstliegenden Einheit, der Heimat, schreiten fort zur Be-
trachtung von Deutschland, Europa, Außereuropa und zur Globuslehre. Das
ist philosophisch gesprochen induktiv und im wesentlichen elementarer
als das vorige Verfahren. Stübler nennt es nach der Richtung unserer erdkund-
lichen Wanderung zentrifugal. Ritter empfiehlt es mit den Worten: „Die
natürlichste Methode ist wohl diejenige, welche das Kind zuerst in der Wirk-
lichkeit orientiert und zu fixieren sucht, auf der Stelle, wo es lebt, auch sehen
lehrt. Sei es nun Stadt oder Dorf, Berg oder Tal, wo das Kind seine ersten
geographischen Kenntnisse, nicht in der Stube, auf der Landkarte oder aus
dem Buche, sondern in der Natur erhalten kann; dies bleibt immer gleich.
Diese Elementarmethode vereinigt alle Forderungen der Wissenschaft und
der Methode und ist darum die einzige‘ (1806). Unter den Pestalozzianern,
die sich zu dem gleichen Grundsatze bekannten, ist besonders Diesterweg zu
nennen: „Der Inhalt des ersten geographischen Unterrichts wird aus der
nächsten Umgebung genommen, und der Grundsatz vom Bekannten zum
Unbekannten, welcher hier mit dem vom Nächsten zum Entfernten zu-
sammenfällt, soll den Unterricht in der Geographie beherrschen.“
Die Vorteile dieser Anordnung liegen klar zutage: Wir knüpfen an Er-
fahrungen des Kindes an und arbeiten deshalb von vornherein mit einer
sicheren Beobachtungsgrundlage, mit deutlichen Raum- und Lagevorstel-
lungen und können die Schüler ständig zur Selbsttätigkeit heranziehen. Aber
es fehlt auch nicht an Bedenken: Zunächst ist nicht alles leicht zu verstehen,
was räumlich nahe liegt; die erdkundliche Eigenart der Heimat bereits auf
der Unterstufe völlig ausschöpfen zu wollen, wäre Torheit. Und dann wartet
der ganze übrige Unterricht darauf, daß der Schüler über einen weiteren erd-
kundlichen Gesichtskreis verfüge. Die Vertreter der anderen Fächer erklären
es. für unmöglich, daß der Quartaner zum ersten Male in seinem Leben etwas
von Amerika höre und der Tertianer endlich das Erdganze mit seinem Grad-
netz, seiner Zonengliederung, seiner Abhängigkeit von der Sonne erfasse.
Nur anhangsweise sei eine zweite Form synthetischer Anordnung erwähnt,
die den Grundsatz vom Nahen und Fernen ersetzt durch den vom Einfachen
zum Zusammengesetzten, also von der einförmigen Landschaft zur reich-
gegliederten, von den Anfängen der Kultur zur Hochkultur. Gude hat nach
diesem Grundsatze die Anordnung gewählt: 1. Gattungsbilder wie Sahara,
Steppen, 2. Erdteile als Ganzes und in ihren Gliedern, 3. Geographie der ge-
schichtlichen Schauplätze. Eine weitere Verbreitung hat das Verfahren nicht
gefunden.
3. Synthetisch-analytischer Lehrgang. Das Bedürfnis, die Vorteile
der beiden ‚gekennzeichneten Verfahren zu vereinen, ohne gleichzeitig die
Nachteile in Kauf zu nehmen, hat zu mancherlei Ausgleichsversuchen geführt,