Lehrstoff für Quarta.,
während im Winter selbst in Astrachan das Quecksilber noch gefrieren kann.
Dieser gewaltige Unterschied zwischen Sommerwärme und Winterkälte ist
das Hauptmerkmal des Landklimas. Die Dauer des Winters nimmt von
Südwest nach Nordost bedeutend zu: Odessa drei Monate, St. Petersburg
fünf, an der Dwina sechs, an der Jugorstraße acht Monate. Mit der Ent-
fernung vom Meere nehmen die Regenmengen ab. Mittelrußland hat noch
etwa soviel wie Nordsachsen, die kaspische Senke nur den dritten Teil davon
Monatelang fällt dort kein Tropfen Regen.
Solche Angaben genügen noch nicht, um die klimatischen Eigentümlich-
keiten Osteuropas zu kennzeichnen. Sie werden dem kindlichen Geiste am
klarsten durch die Auffassung ihrer Folgeerscheinungen, der Pflanzenwelt
und der Bodenkultur. Von den Pflanzengürteln Rußlands (1. Eismeerküste,
2. Tundra, 3. Waldgürtel, 4. Steppe) bieten das nördlichste und südlichste
Gebiet dem Schüler am meisten neues. Hier müssen also Bild und Schilderung
nachhelfen,
1. Eismeerküste. Man kann das Hauptkennzeichen, die Eispanzerung
der Küste im Winter, das Treibeis im Sommer, ohne große Fehler zu begehen,
an die Erklärung des Lehmannschen Bildes einer Polarlandschaft anknüpfen.
Wichtig ist der Hinweis auf die lange Polarnacht, der eine ebenso lange
Sonnenscheinperiode gegenübersteht. Das Nordlicht in seiner Mannigfaltig-
keit zeigen die Farbentafeln im Konversationslexikon, das wohl jeder Schule
zur Verfügung steht. Eigene Reiseerfahrungen zur Ausschmückung der
sachlich-nüchternen geographischen Angaben stehen dem Lehrer kaum zu
Gebote, Er wird also nach guten Schilderungen suchen. Wir geben einige
Beispiele aus Meyer v. Waldeck, Rußland (Wissen der Gegenwart, 1884).
Sie sind stilistisch etwas über den Schülerstandpunkt herausreichend (trotz
einiger Vereinfachungen), lassen sich also unter Umständen durch freie
Wiedergabe des Lehrers ersetzen und in der Originalform auf Obertertia
verschieben:
Wunder der Polarnacht. Es ist Nacht, aber keineswegs schwere,
erdrückende Finsternis, Die glänzende Decke des Schnees leuchtet und
glitzert den Sternen entgegen, die funkelnden Demanten gleich in herr-
lichstem Farbenspiel schimmern. Dazu sendet der Mond sein klares Silber-
licht herab, und zur Mittagszeit dämmert’s im Süden und steigert sich gegen
Ausgang des Winters zur Tageshelle.
Dazu gesellt sich das zauberische Nordlicht, das neue Reize über die
nordische Landschaft ausgießt: Am klaren Winterhimmel, in mondloser
Nacht, erscheint, anfangs kaum bemerkbar, ein blasser Lichtbogen, der
einen dunkeln Kreisabschnitt einschließt. Auf dem Bogen schwanken in die
Höhe leckend mattglänzende unregelmäßige Flammen hin und her. Bald
ist der ganze Himmel von aufzuckendem Feuer erfüllt. Von dem Lichtbogen
aus beginnen ganze Strahlengarben elektrischen Lichtes emporzuschießen.
J6