Full text: Öffentliche Bauten

Wettbewerbsentwurf. Blick zum Haupteingang. 
’jeiden eng verbundenen Gemeinwesen, des aka- 
lemischen und des städtischen, schildert.) 
Wie in der Zeit nach Karl August und Goethe 
Stadt und Universität zurückgingen, weil sie nicht 
vorwärtskamen, jene zunächst vom erwachenden 
Verkehr der Eisenbahnen bei Seite gelassen, diese 
nfolge der kleinstaatlich beschränkten Mittel von 
eicher dotierten Hochschulen überflügelt, so be- 
yannen sie auch gemeinsam sich wieder zu heben, 
‚or allem dank dem Aufblühen eines Unternehmens, 
n dem bürgerlicher Gewerbefleiß und wissenschaft- 
iche Forschung sich zu einem ganz neuen, durch 
selbstlosesten Idealismus geweihten Bund geeinigt 
aatten: der Carl Zeiß-Stiftung. Aus der kleinen 
aptischen Werkstatt von Carl Zeiß hat der Gelehrte 
Ernst Abbe, der zugleich ein bewundernswerter 
Organisator und ein Altruist edelster Art war, im 
Lauf von ein paar Jahrzehnten das heute welt- 
derühmte optische Institut geschaffen, das den 
industriellen Aufschwung der Stadt herbeiführte und 
*) Ernst Borkowsky, Das alte Jena und seine Universität, 
Jena, Eugen Diederichs 1908.) 
auf eine von Abbe statutarisch festgelegte Art aus 
seinem Reingewinn der Universität reichliche 
Mittel zufließen ließ und läßt. So wuchsen seit 
dem letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts die Zahl 
der Einwohner und die der akademischen Bürger 
in entsprechender Proportion, und wie die Stadt 
sich über die alten, durch die frühere Befestigung 
bezeichneten Schranken ausdehnte, wurde auch 
jas Bedürfnis nach einem großen, würdigen Uni- 
zersitätsneubau immer dringender. 
Das erste Heim der alma mater Jenensis, das 
frühere Paulinerkloster, hatte schon früh nicht mehr 
zusgereicht; man behalf sich, indem die meisten 
Kollegien in den Privatwohnungen der Dozenten 
ıbgehalten wurden — ein Zustand, der eigentlich 
arst 1861 aufhörte, als ein großes Konviktshaus am 
Fürstengraben zur Aufnahme von Hörsälen her- 
zerichtet worden war. Endlich, Anfang des 20. Jahr- 
hunderts, als auch dies ‚Kollegiengebäude’ bei 
weitem nicht mehr genügte, beschloß man einen 
Neubau zu errichten, zu dem die vier ‚Erhalter- 
staaten’ (Weimar, Meiningen, Koburg-Gotha, Alten- 
burg), die Stadt, die Carl Zeiß-Stiftung und hoch- 
yesinnte Private die Mittel beisteuerten. Es wurde 
an auf sechs geladene Teilnehmer beschränkter 
Wettbewerb ausgeschrieben, aus dem nach der am 
3, Januar 1904 erfolgten Entscheidung der Ent- 
wurf von Professor Theodor Fischer in Stuttgart 
den ersten Preis davontrug. 
* 
Ehe Theodor Fischer im Jahre 1901, als Nach- 
folger Neckelmanns an die Technische Hochschule 
5erufen, nach Stuttgart übersiedelte, hatte er acht 
“ahre lang dem Münchner Stadtbauamt angehört 
ınd in dieser Zeit den Stadterweiterungsplan für 
München ausgearbeitet, sowie eine Reihe öffent- 
licher und privater Bauten ausgeführt. Eine Aus- 
wahl dieser seiner Bauten findet man in den Re- 
‚roduktionen einer 1904 erschienenen Mappe ver- 
:inigt.*) Sie gibt ein sehr anschauliches Bild seiner 
Sntwicklung in jenen Jahren. 1862 in Schweinfurt 
rveboren, hatte er auf dem Gymnasium seiner Vater- 
tadt seine Schulbildung, auf der technischen Hoch- 
:chule München (seit 1880) die fachwissenschaftliche 
\usbildung gefunden; die praktischen Lehrjahre 
ährten ihn 1886—89 zu Wallot ins Baubureau des 
Reichstags. Nach München zurückgekehrt, schien 
» zunächst, als ob er gleich vielen seiner Kunst- 
yenossen in den damals eben eröffneten Bahnen 
les „süddeutschen bürgerlichen Barock“ mitwandern 
wolle. Die zwei in jener Mappe abgebildeten Bau- 
werke aus dem Jahre 1894, ein Wohnhaus in der 
/orstadt Neuhausen und das chirurgische Spital in 
München, zeigen ihn durchaus im Bannkreis dieses 
1eimatlich vertrauten, läßlich heiteren Stils, der mit 
‚seiner Betonung der örtlichen Tradition, mit seiner 
*) Theodor Fischer. Eine Auswahl seiner öffentlichen 
ınd Privatbauten in München und Umgebung. 34 Lichtdruck- 
afeln und 4 Grundrißtafeln. Mit Vorwort von P. J. Röe, 
München, L. Werner.)
	        
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