J
‘1
werke verzichtet und das oberste teilweise als Dach-
gyeschoß ausgeführt werden. — Am wichtigsten für
das Gesamtbild war es, daß man auf die zunächst
geplante Erhaltung des ‚niedrigen, runden Eck-
türmchens mit seinem Vorhof, eines Restes der alten
Stadtbefestigung,, verzichtete. Die Pietät für ein
charakteristisches Überbleibsel früherer Zeit würde
da dem neu Entstehenden nur geschadet haben,
dessen Stil eine feste äußere Verbindung der unter
sich so verschiedenartigen Bauglieder verlangt: diese
Verbindung war durch das niedrige Türmchen
durchbrochen, man hat beim Betrachten der Aufrisse
nd noch mehr vor dem plastischen Modelle*) den
z3indruck, als sei hier ein Gelenk durchhauen und
verkümmert. Jetzt schließen der Ost- und der Nord-
Jügel direkt aneinander, so daß der Ostgiebel des
Nordflügels zugleich einen organischen Bestandteil
der Ostfront bildet.
Mit dem Prinzip Fischers, die formale Durch-
bildung konsequent aus der räumlichen Gestaltung
1eraus zu entwickeln, hängt es zusammen, daß der
Wettbewerbs-Entwurf nach der formalen Seite viel
weniger eine eigene Sprache redet, als sie uns jetzt
aus dem fertigen Bau entgegenklingt. Dort konnte
der Architekt sich begnügen, zur vorläufigen Um-
schreibung seiner Absichten fest überlieferte Formen
der historischen Stile anzuwenden. So sind die
Doppelgiebel an der Nordfassade des ersten Ent-
wurfes noch echte und rechte Deutschrenaissance-
Giebel, auch der große Giebel an der Ostfassade
nit seiner rautenartigen Teilung und die Rose da-
"unter wirken noch ganz als Reminiszenzen im
Sinne historischer Bauweise. Derartiges findet sich
‚etzt nicht mehr; die breiten, welligen Bogenabschlüsse
über den Giebelaufbauten der (ausgeführten) Nord-
‘ront, die zu imposanter Höhe schlank ansteigenden,
'eise eingezogenen Linien der Giebel an der Ost-
'ront sind ebenso originell, wie die reiche, fünffache
Gliederung der Turmhaube, die dabei doch an alte
‚Okale Motive traulich anklingt.
Wenn so viele von jenen verschiedenen An-
xlängen an die historischen Bauweisen fallen konn-
:en, ohne das Wesentliche, die große Gesamt-
Jisposition und die allgemeine räumliche Wirkung
zu beeinträchtigen, so war damit für den Archi-
;ekten gegeben, daß sie fallen mußten. Sie sind
aber dann, als der Neubau immer mehr dem Boden
antwuchs und seine sachliche Schlichtheit immer
deutlicher zu erkennen gab, von Vielen schmerzlich
vermißt worden. Man fand besonders die Nord-
iront, die sich achtzig Meter lang ohne Risalite, ohne
Jurchgehende Gesimse, ohne vorstehende Fenster-
ımrahmungen und andere Ausladungen außer ein
paar kaum von der Wand sich lösenden Skulpturen
und dem von zwei Steinpfeilern getragenen Schutz-
dach über dem Portal hinzieht, doch allzu schmuck-
los, so gar nicht repräsentativ. Man vermißte die
sogenannte monumentale Ausgestaltung des Haupt-
*) Photographie in der kleinen, oben erwähnten Festschrift.
ingangs; ein breites Treppenhaus, das sogleich den
“intretenden, statt ihm zunächst ein ruhiges Umsich-
licken im Erdgeschoß zu gönnen, herrisch in die
'beren Stockwerke zu nötigen scheint; die allzuhohen,
eeren Korridore, die freilich nicht an Klostergänge,
ıber desto mehr an Kasernen und moderne Kranken-
1äuser erinnern. All das hatte aber der Architekt
verade mit Absicht vermieden. Er wollte eben
ıicht einen jener Monumentalbauten schaffen, die,
‚eistlose und erstarrte Abkömmlinge des italienischen
;pätrenaissance-Palastes, in nur allzuvielen Städten
jeutschlands, wie des ganzen Kontinents als kahle
der protzig herausstaffierte Reißbrett-Abstraktionen,
ls orts- und zeitfremde Riesenfindlinge herumstehen:
zr wollte ein einfaches Haus bauen, das sich nicht
ıls Palast, sondern als Stätte wissenschaftlicher Arbeit
räbe, ein Haus, das mit dem Ernst seiner Bestimmung
nheimelnde Freundlichkeit verbände. Monumen-
alität durfte dabei diesem Haus, das ruhmreiche
"raditionen zu verkörpern und weiter zu pflegen
'at, gewiß nicht fehlen, aber sie durfte nicht durch
ußere Mittel posierender Feierlichkeit, sondern nur
ron innen heraus, durch große Raumbildungen und
zroßwirkende Maßverhältnisse erreicht werden.
Gerade jedoch, weil für diese Anschauung die
lekorativen Stilformen etwas sekundäres sind, hat
Fischer auch niemals es mit ängstlicher Pedanterie
vermieden, sich des überlieferten architektonischen
Der Turm der Universität.