Full text: Öffentliche Bauten

Arbeits-, sondern auch Empfangszimmer sind, wie 
das des Kurators oder des Rektors, erhalten durch 
aelle polierte Möbel, durch gemusterte Wandbespan- 
ıung und alte Bilder an den hellgestrichenen oberen 
Teilen der Wand einen behaglich vornehmen Ton. 
Die Kollegsäle, mannigfach verschiedenen Umfangs, 
wirken durch die leichte Farbigkeit des Anstrichs 
der Wände und Bänke, durch die guten Abmessungen 
ınd das gleichmäßig milde Licht oft merkwürdig 
ınheimelnd, noch mehr die Arbeits- und Bibliotheks- 
zimmer der Seminarien und Institute, die so recht 
zu ruhig beharrlichem, welt- und selbstvergessenem 
studieren einladen. Wo sich Gelegenheit zu einer 
schmückenden Note ergab, wurde sie nicht ver- 
schmäht, so in dem saalartig großen Zimmer des 
uristischen Seminars, dessen Plafond sich gerade 
zeräumig genug zur Aufnahme einer schönen Stuck- 
iecke aus dem Alten Schloß erwies, Eine kleine 
Welt für sich bildet das Mathematische Institut, dessen 
Zimmer, im Dachgeschoß des Nordflügels gelegen, 
uf einen Vorraum münden: der wirkt mit seiner 
Wandbekleidung aus grünen Kacheln, dem roten 
“iesenboden, den hohen Glasschränken und einer 
jefen Fensternische mit gemütlichen Sitzen wie ein 
<östliches kleines Idyll, gegen die Außenwelt abge- 
schlossen durch eine hölzerne Gittertür, durch die 
man in einen langen Korridor hinausblickt. 
Überhaupt kann man in diesem Bau von einer 
wahren Poesie der Gänge und Treppen sprechen. 
hr Geheimnis beruht in der Lichtführung und der 
“arbengebung. Immer fällt das Licht von der 
Seite ein, nie dem Passanten störend ins Gesicht. 
<eine dunkle Ecke, wohl aber eigentümlich wohl- 
uende Abwechslung von mehr und minder hell, 
lirekt oder mehr indirekt beleuchteten Partien. Immer 
in wohltuendes Zusammenklingen frischer oder ge- 
lämpfter, nicht greller oder kränklicher Farben, sich 
ergebend aus dem Weiß der oft mit schlichtem Stuck- 
rnament gezierten Decke, dem Blau oder Grün 
ler Wandkacheln, die überall so reichliche, hygienisch 
ınd ästhetisch gleich begrüßenswerte Verwendung 
zefunden haben, und dem roten Fliesenbelag. Und 
>ndlich in den Korridoren und Gängen ein reicher, 
nit großer Liebe zusammengebrachter Bilderschmuck: 
la hängen in dem Gang des Erdgeschosses, der, an 
jer Aula hinführend mit Ausblick in den stillen 
<leineren Hof, den Nordflügel mit dem Südbau ver- 
»indet, die vier von alten Jenaer Studenten gestifteten 
Jarstellungen aus der Geschichte der Universität, 
‚on denen das künstlerisch anziehendste, der „Emp- 
ang Johann Friedrichs am Fürstenbrunnen 1552“ 
on Ubbelohde, in dem schon genannten Osborn- 
schen Heftchen abgebildet ist; da sind in einem 
anderen Korridor Ansichten einer großen Zahl 
alter und neuer Universitäts- Gebäude vereinigt, 
worunter es an Ilehrreich betrüblichen „Gegen- 
jeispielen“ nicht fehlt; und fast durch all die 
jänge zieht sich die Ahnengalerie.: der Hoch- 
chule: die Ölbilder von Professoren aus früheren 
Zeiten, vom ersten Rektor bis ins 19. Jahrhundert 
ınein. Das ist nicht nur ein schönes Werk der 
’ietät und eifrigen ortsgeschichtlichen Forschens, es 
ilft auch (vorausgesetzt, daß nicht etwa nach und 
1ach des Guten ein wenig zu viel geschieht) in der 
Sblichsten Weise dazu, den ganzen Bau mit der 
ınheimelnden Atmosphäre des Bewohntseins zu 
lurchdringen, und erfreut auch solche Augen, die 
‘icht die rein architektonischen Mittel und Formen, 
it denen die Treppen und Gänge sozusagen be- 
eelt sind, bewußt würdigen können. Es sei für all 
liese reizvollen, oft wieder so fein untereinander 
ontrastierten Einzelheiten, von denen die Ab- 
ıildungen das Bezeichnendste vorführen, als Beispiel 
ıur noch das Vestibül des Südeingangs erwähnt, 
las bei all seiner Einfachheit doch ein außer- 
yrdentlich zierliches, dabei fast feierliches Gepräge 
;mpfängt durch die schlanken Pfeiler mit den Kugel- 
rapitälen und .durch den Ausblick auf den kleinen 
Tof, den die große in diesen führende Glastür 
zewährt. 
Und es sei zum Schluß noch besonders hin- 
zewiesen auf die beiden Höfe, den kleinen, der in 
strenger, edler Symmetrie die kühle Ruhe eines 
steinernen Saals oder eines Klosterkreuzgangs atmet, 
nit dem einzigen Schmuck eines stilisierten Reliefs 
von A. Zauche); den großen Hof, den in malerischer 
Mannigfaltigkeit der Nordflügel mit der sich nach 
5üden Öffnenden schlicht-grandiosen Pfeilerhalle, 
ler Aulabau und das Archäologische Museum mit 
ıren terrassenartig vorgelegten Anbauten und der 
)stflügel in leicht verschobenem Viereck umgeben 
ınd in dem als besonders anheimelnder Bestandteil 
'er nach seinem Stifter, dem Berliner Privatier 
deimann genannte Brunnen mit den Reliefs der 
hüringischen Flüsse und einem Bismarck - Porträt 
daher auch „Bismarck - Brunnen“) freundlich sein 
:ühles Naß spendet, gekrönt von der etwas ver- 
leinerten Nachbildung des Daches. jenes alten Eck- 
ürmchens, das Fischer so gern ganz erhalten hätte. 
Aächtig aber strebt in der Nordwestecke des Hofes 
ler große Uhr- und Treppenturm in die Höhe, ein 
3ild unerschütterlicher Festigkeit und im Gesamtbild 
les Baukomplexes mit den breit hingelagerten Massen 
än unentbehrlicher vertikaler Akzent. 
Wer von der Höhe dieses Turmes auf das Haus 
zu seinen Füßen blickt, das als geistiges Zentrum 
ınd mit seiner Baugestaltung die ganze alte liebe 
stadt mit ihrer schönen Landschaft an sich heran- 
‚uziehen scheint, der mag die „edle Lust“ des 
ırchitektonischen Gestaltens nachempfinden, das 
ıach unvergänglichen, doch nie erstarrenden Normen 
lie großen dauernden Gebilde schafft, in denen der 
Zwang der Gebrauchsforderungen sich zu künst- 
erischer Notwendigkeit erhöht und befreit.
	        
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