304
Ozon.
entkeimung in Schlacht- und Kühlhäusern, für Fleisch und andere Nahrungsmittel, die längere Zeit
im rohen Zustande frisch erhalten werden sollen, ferner zur Trinkwassersterilisation in großen
Städten, die wie Paris, Petersburg, Nizza, Wiesbaden, Paderborn u. a. auf Oberflächenwasser aus
u. U. verseuchten Flüssen oder Teichen angewiesen sind. Man erzeugt in diesen Fällen der Groß-
verwendung des Ozons das Gas konzentriert und mischt es der Gesamtluft des Raumes in be-
stimmtem Prozentsatz bei oder ventiliert dieselben mit verdünnter Ozonluft oder saugt die Luft
durch gitterförmig angeordnete Ozonisierapparate hindurch. Die Trinkwasserbehandlung erfolgt
analog in der Weise, daß man das sehr gut mechanisch in Schnellfiltern vorgereinigte Wasser in
Rieseltürmen aufsteigender Ozonluft entgegenfließen 1äßt, oder daß man sie mittels Düsen in das
Wasser einbläst, oder sie, durch Siebböden fein verteilt, in den Wassersäulen aufperlen Jäßt, wobei
1000 TI. Wasser, je nach dem System und der gewollten Dosierung, 5—40 Tl. Ozon aufnehmen,
In den modernsten Apparaten der „Neuluft-Chem.-Techn, Luftfilter- und Trocknungs-
G. m. b. H., Berlin“ wird das Ozon nicht als Gas (ozonisierte Luft) zur Luftreinigung und -ent-
keimung verwandt, sondern man löst es in einer Salzlösung (Ca-, Mg- oder das Chlorid eines anderen
Metalles, das Hypochlorite zu bilden vermag) unter Zusatz von die Ozonbindung befördernden kata-
Iytisch wirkenden Stoffen (Eisen-, Kupfer-, Nickeloxyd u. dgl.) und erzeugt so zunächst eine stark
desinfizierend wirkende Lösung. Diese wird dann der zu reinigenden Luft im Gleichstrom versprüht
zugeführt oder als Waschflüssigkeit in einem Rieselturm verwandt. Es entstehen einerseits Hypo-
chlorite und Peroxyde, die in ihrer Wirkung zerfallen, dabei wirksamen Sauerstoff im Entstehungs-
zustande abgeben und die Salze regenerieren, andererseits soll der Sauerstoff der schlechten Luft
im Apparat ozonisiert werden, so daß sämtliche Keime zugrunde gehen. Das Ozon erscheint nach
der Reaktion in der den Apparat verlassenden reinen Luft als Sauerstoff,
In der Zukunft dürften sich dem Ozon bzw. ozonisierter Luft als Oxydationsmittel noch weite
Verwendungsgebiete eröffnen, vielleicht dann, wenn auch ältere, jetzt verlassene Methoden
seiner Erzeugung wieder aufgenommen und ausgebaut werden sollten. So die Elektrolyse gekühlter
Schwefelsäure oder Flußsäure (auch Phosphor- und Chromsäure wurden versucht) mittels Edel-
metall- und Bleisuperoxydelektroden (bis zu 12 % Ausbeute aus anodisch mittels Gleichstromes
aus verdünnter Schwefelsäure erzeugtem Sauerstoff durch Wechselstrombehandlung) oder die
Ultralichtbestrahlung von mit flüssiger Luft gekühltem, unter Druck befindlichem Sauerstoff oder
schließlich die Methode der Luftverbrennung, die bei der Ozondarstellung bis jetzt praktisch ver-
sagte, da das gebildete Ozon bei hoher Temperatur in den heutigen Systemen der Flammbogen-
reaktionen viel schneller wieder zerfällt, als es dem Hitzebereich der Flammen entzogen werden
kann.
Jedenfalls ist der Erzeugungspreis des Ozons heute noch viel zu hoch, als daß dieses ideale
Oxydationsmittel, das in der Reaktion keinen Fremdstoff hinterläßt, als ozonisierte Luft im Gegen-
zatz zu allen Perverbindungen bei Temperaturen bis 300° beständig ist und dann sogar besonders
hohe Wirkung ausübt, angewendet werden könnte. An Vorschlägen fehlt es nicht, von denen in
Schlagworten zu nennen wären: Abwasserreinigung, Faktisherstellung, Fischöl- und Harzölreinigung
bzw. -desodorierung, Terpentinölersatz aus Kienöl, Firnistrocknung, Öl- und Faserstoffbleiche,
Desinfektion (z. B. ozonreiche Wasserstoffsuperoxydlösung, Ozonlösungen in Öl, auch in Paraldehyd),
Sikkativherstellung, Seifenunterlaugereinigung, Tintenschriftentfernung, Herstellung von BEisen-
cyaniden, Erz- und speziell Cyanidlaugerei, Ammoniakwasserentschweflung, Ammonsulfatgewinnung,
Fässersterilisation, Hefeentbitterung, Förderung von Champignonkulturen, Stickstoffpentoxyd-
erzeugung (beim Durchleiten von sauerstoffreicher Luft im Gemisch mit Ozon durch ein Siemens-
rohr), Kolloidentwässerung, Kartoffeltrocknung, Mehlbleiche, Milchsterilisation, Tabak- und Wein-
behandlung, Whiskyentfuselung, Agar-, Leimgut-, Tierhautbehandlung, Baumwollvorbereitung
für die Glanzstofferzeugung, Dextrinfabrikation, Lackledertrocknung, Faseraufschließung, Holz-
reifung, Voroxydation von Holzimprägnierungsölen, Sulfitablauge- und Kunstseideablauge-Ent-
schleimung, Regenerierung von Trockenelementen, Permanganatgewinnung.
Ein Verwendungsbereich des Ozons ist noch gegeben durch seine Fähigkeit sich in der
—C—CG—C
Form % an Doppelbindungen: —C=C-— ungesättigter chemischer Stoffe anzulagern,
8
unter Bildung der von Harries bei seiner Kautschuksynthese studierten „Ozonide‘“. Sie sind
viscose, farblose oder grünliche Öle, die zuweilen heftig explodieren (Entzündung von Terpentinöl
durch Ozon), und weil sie noch den Ozonkomplex enthalten, auch selbst noch starke Oxydations-
mittel sind; Lavendel- oder Terpentinöl, die man mit verdünntem Ozon behandelt, üben daher Bleich-
wirkung aus (s. Photoausbleichverfahren). Die Ozonide von Erdöl- und anderen ungesättigten Kohlen-
wasserstoffen wurden schon technisch dargestellt, teils um gehärtete Produkte, z. B. Hartpech zu
erhalten (s. Fetthärtung), teils zur Gewinnung weniger spröder Wachskörper, die durch fraktioniert®
Lösung weiter gesondert werden können, z. B. aus Montanwachs (Ozonbehandlung in Tetrachlor-
kohlenstofflösung), weiter aber auch zur Herstellung von Leinöl-Firnisersatz aus Braunkohlengasöl;