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Steinkohlenteer.
Der rohe Teer wird als solcher kaum mehr verwandt, da seine Konsistenz wechselnd ist,
während die Dachpappenindustrie, ein Großteerverbraucher, stets gleichmäßig streichbare Ware
verlangt. Man entzieht ihm daher schon in den Destillationen durch Erwärmen das ebenfalls
störende Wasser und die für jene Zwecke zu wertvollen Leichtöle und bringt ihn als „präparierten‘
Teer in den Handel, Er dient dann als billiger Anstrich, als Zusatz zur Brikettbindung, zur Impräg-
nierung von Feueranzündern, Zusatz zu Sprengstoffen, Seifen, Schmiermitteln, Vertilgungspräpa-
raten, zur Straßenteerung und vielen anderen Zwecken; seine Verwendung als Heiz- und Treibstoff
wird durch den Gehalt an schwer verbrennlichem Kohlenstoff stark beeinträchtigt.
Die Destillation des Steinkohlenteeres bezweckt seine Zerlegung in die einzelnen Be-
standteile, von denen etwa die Hälfte flüchtig ist und durch Fraktionierung weiter getrennt werden
kann, während der Rückstand, das Pech, mit etwa 25% freiem, von der Überhitzung der Teer-
dämpfe bei ihrer Entstehung herrührendem Kohlenstoff, als Hart- oder Weichpech (je nach Leitung
der Destillation), jedenfalls aber noch schmelzflüssig aus den Retorten abgezogen wird. Die flüch-
tigen Bestandteile sind in Menge und Art der Komponenten (abgesehen vom T-teer) abhängig von
der Gewinnungsart (Gas- oder Kokereiteer), so wie die Teergattungen von der Art der Kohle, stets
überwiegen jedoch die aromatischen Kohlenwasserstoffe gegenüber den Sauerstoff- und Stickstoff-
verbindungen, wie folgende Tabelle (nach Ost, Lehrbuch der Chem. Techn.) zeigt:
Leichtbenzole ......
Schwerbenzole ....... .
Carbolsäure, rein ........
Naphthalin, rein.........
Anthracen, rein .........
Pyridinbasen ........ ...
Schwere Teeröle .........
Pech er
(mit Kohlenstoff) .....
Gasteer
‚—.r% der Kohle '
—=1 5
0,5—1%
0,5—1%
4—6%
3,3—0,5%
0,25%
20—30%
50—60%
20%
"-kereiteer
9%, der Kohle
—0,5%
-1%
%—0,6%
5—8%
3—0,5%
0,25%
20—30%
50—60%
5—10%)
Der Teer wird von besonderen Unternehmungen, die ihn aus weitem Umkreise in Tank-
wagen von den Gasanstalten beziehen, in Deutschland jedenfalls meist getrennt von der Erzeu-
gungsstätte, im größten Maßstabe (40 und mehr Blasen zu Batterien vereinigt) und zwar diskon-
tinuierlich stets mit direktem Feuer destilliert... Dieser gegenüber anderen Destillationseinrich-
tungen unmodern anmutende Betrieb hat viele Vorteile, die dem Arbeiten in komplizierten Appa-
raten mit stetigem Rohstoffzufluß fehlen: 1. die Einfachheit, 2. das Fehlen langer sich mit den
Schwerdestillaten leicht verstopfender Rohrleitungen und in zähen Massen nicht sicher funk-
tionierender Ventile, 3. die Ausschaltung der Gefahrmomente, 4. der Notwendigkeit den ganzen Be-
irieb der weitverzweigten kontinuierlich arbeitenden Anlage bei Störungen, z. B. im Falle des Fest-
brennens von Koksschichten, temporär einstellen zu müssen, und schließlich 5. die Gewähr der
Erzielung stets gleichmäßiger Fraktionen, Zwischenprodukte und Rückstände, die beim stetigen
Betrieb keineswegs geboten wird. -—-- Die einzelnen gußeisernen Destillierblasen sind ent-
weder stehende Retorten oder neuerdings liegende, ebenfalls eingemauerte Röhrenkessel, deren
von den Feuergasen durchzogene Röhren im Teer liegen. Die einzelne Blase mit guß- oder
schmiedeeisernem, in kaltem, später in warmem Wasser liegendem Schlangenrohrkühler und
den eventl. auf Wechsel eingerichteten Vorlagen bildet ein System, das unter gut wirkendem
Luftpumpen-, oder, da die Pumpen starker Korrosion ausgesetzt sind, besser unter Dampfstrahl-
Vakuum steht; man schaltet es im allgemeinen und zwar mit 5— 600 mm Unterdruck bei stehenden,
mit beinahe Luftleere bei liegenden Blasen an, wenn nach Entfernung des Wassers und eines Teiles
der Leichtöle, die des Schäumens wegen zweckmäßig in einer vorgelagerten kleinen Blase mit kon-
tinuierlichem Teerzufluß vollzogen wird, der Teer mit 140° in die eigentliche Destillationsblase
gelangt. Zugleich leitet man von diesem Beginn der eigentlichen Destillation an, um das Fest-
brennen des Retorteninhaltes und sein Schäumen zu vermeiden und gleichmäßigen Abgang der
Produkte zu erzielen, Dampf auf den Boden der Blase, doch kann diese Maßnahme die Bildung
festgebackenen koksartigen Pechs nicht verhindern, wenn nicht zur richitgen Zeit die Destillation
abgebrochen und das etwa 350° heiße Pech in diesem gut flüssigen Zustande in die geschlossenen,
mit Gasabzugröhren versehenen Pechkühlbehälter abgelassen wird, aus denen man es nach Ab-
kühlung auf etwa 130%, nach Beendigung der Entwicklung feuergefährlicher Dämpfe, direkt in
konische, mit Kalkwasser ausgestrichene aufklappbare Formen gießt, in denen es erstarrt.
Die kontinuierlich arbeitenden Teerdestillationsapparate (s. 0.) arbeiten nach zwei Grund-
sätzen: In dem von Lennard begründeten, von Koehne veränderten, und von der A.-G. J. Pintsch