Full text: Der Marineoffizier

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Fast tritt an den jungen Seekadetten die Versuchung heran, bei 
der Abreise nach Kiel zu finden, daß der Urlaub nach Hause das 
Beste vom Seefahren sei. Aber „Pflicht ist eine Schuld, die jeder 
Mensch zu bezahlen hat, der nicht in der Gegenwart den Kredit 
oerlieren und in der Zukunft sittlichen Bankrott machen will. Die 
pflicht begleitet uns durchs ganze Leben, von unserem Eintritt bis 
zum Ausgang aus demselben, als Pflicht gegen Obere, als Pflicht 
gegen Untergebene, als Pflicht gegen Gleichgestellte, als Pflicht gegen 
Menschen und als Pflicht gegen Gott.“ (Smiles.) 
An seine Pflichten wird der Zurückkehrende sofort erinnert, zu— 
nächst in angenehmer Weise durch seine Beförderung zum „Fähnrich 
zur See“. Der erste Rang ist errungen. Zwar steht man noch 
auf unterster Stufe, zwar hat man noch nicht viel zu befehlen. Noch 
gehört man zu den ganz kleinen Rädern, und es sind nur ein Paar 
bescheidene silberne Litzen, welche eines der äußeren Abzeichen der 
neuen Würde ausmachen. Es kommt aber nie auf das Äußere 
hierbei an. Was der innere Mensch geworden ist, was ihm ein 
Jahr Seedienstzeit an dienstlicher Bildung und an Charakter-Ent— 
wickelung gebracht hat — darauf kommt es an! Ein jeder frage 
sich selbst: wie weit er sich gekrümmt hat, um dermaleinst ein 
tüchtiger Enterhaken werden zu können. Am Dolch trägt der 
Fühnrich jetzt das silberne Portepee. Es ist silbern, schwarz und 
rot durchwirkt, es zeigt des deutschen Reiches Farben und ziert 
Dolch und Offiziersäbel in gleicher Weise. Die Hand, die nach der 
Waffe greift, muß das Portepee berühren, und bei der Berührung 
geht von ihm ein elektrischer Strom aus, der den Zeiger der Ge— 
danken sofort auf das Wort „Pflicht“ einstellt. 
In die weiten Hallen der Marineschule zieht der neue Fähnrich 
weiter ein. Es soll hier nunmehr gründlich und endgültig mit der 
Theorie Abrechnung gehalten werden. In früheren Jahren legte 
man diese Vorbereitung zum Seeoffizier-Examen an das Ende der 
Fähnrichszeit. In neuerer Zeit wird sie an den Anfang gelegt, und 
danach tritt der praktische Dienst in ununterbrochener Folge in sein 
Recht. Es hat dieses sein Gutes. Jahrelanger praklischer Dienst 
entfremden naturgemäß von der Schulbank. Danach wird es schwer,
	        
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