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sich Schaumstreifen, als ob ein schmutzigweißes Band den Regen
umsäume — das Zeichen, daß mit dem Regen starker Wind einsetzt,
eine Bösist im Anzuge. „Alle Mann auf, klar zum Segelbergen!“
und „ein Reef in die Marssegel!“ heißt es. Da geht es denn hurtig
die Wanten hinauf und auf die Ragen hinaus. Ehe die ersten
Regentropfen das Schiff erreichen, ist die Arbeit gethan und der
letzte Mann aus der Takelage wieder niedergeentert. Auch sonst
sind noch einige Segel, wie Großsegel und Besahn, aufgegeit, und
nun kann die Bö kommen. Pfeifend fällt der Wind in die ver—
kürzten Segel, das vorher leicht schlingernde und stampfende Schiff
richtet sich plötzlich kerzengerade auf und schnaubt durch das Wasser
mit fliegender Fahrt, wie der Renner, der die Sporen bekommen
hat. Lange dauert der stärkere Wind nicht an. Ein heftiger Regen—
guß prasselt hernieder, und nach und nach schläft der Wind wieder
ein, die nassen Segel schlagen klatschend gegen die Stengen. Sobald
der Regen nachgelassen, müssen die Reefe wieder ausgesteckt, müssen
die geborgenen Segel wieder gesetzt werden. Da entert denn auch
der Seekadett wieder in die nasse Takelage, um sein Kreuzmarssegel
„auszureefen“. So geht es einige Tage fort. Die Sicherheit in
der Takelage wächst mit jedem Tag, und auch für den nötigen über—
blick wird gesorgt. Bleibt doch der Seekadett nicht für die Dauer
auf ein und derselben Station. Es tritt im Gegenteil ein all—
mählicher Wechsel ein, der alle Stationen an den einzelnen heran—
hringt.
Auch in anderer Beziehung bereichert der Seekadett sein Wissen.
Das Steuern nach dem Kompaß, das Loggen und Loten hat er
schon kennen gelernt und eine gewisse Gewandtheit darin erlangt.
Nun lernt er auch die Seekarten genauer kennen. Sie sind gerade
umgekehrt wie die Landkarten eingerichtet, bei welchen das Wasser
leer bleibt. Hier ist das Land leer gelassen, nur die Küste gezeichnet
and nur angemerkt, was sich für die Orientierung von See aus
benutzen läßt. Das würden hohe Berge, Gebäude, Leuchttürme,
Baken ꝛc. sein. In dem Wasser bemerken wir unzählige kleine
Zahlen, oft in Reihen und Linien gruppiert, oft vereinzelt stehend.
Sie bedeuten die Wassertiefe in Metern. Zwischen den Zahlen
Kohlhauer, Der Marineoffizier.