378 8 22. Anwendungen der sphärischen Trigonometrie
S 22, Anwendungen der sphärischen Trigonometrie.
]. Landesvermessung und Erdmessung. Die heutige Landes-
triangulierung und ihre Verknüpfung mit der Erdmessung geht auf Snell
zurück, der im holländischen Flachlande die erste Triangulierung aus-
yeführt und darüber in seinem „Eratosthenes Batavus“ (1617) berichtet
hat.!) Ihren Ausgangspunkt bildete eine kurze horizontale Grundlinie
“Basis) bei Leiden, die mit Rutenmaßstäben ausgemessen und 837,05 rheinl.
Ruten (oder 327,85 m) lang gefunden wurde. Von ihr aus wurden durch
Einschneiden, also durch Winkelmessung, schrittweise größere Strecken
vestimmt, bis schließlich die Strecke Leiden — Haag erreicht war. Das
dabei benutzte Netz von Dreiecken ist nach heutigem Sprachgebrauch
als Basisnetz zu bezeichnen, da die Linie Leiden— Haag die Grundlinie
für die nun folgende Großtriangulierung abgab, die sich nördlich bis
Alkmaar, südlich bis Bergen op Zoom ausdehnte. Als Dreieckspunkte
dienten Kirchtürme, auf denen die Horizontalwinkel mit einem einfachen
Instrumente gemessen wurden.
Mit der Berechnung aller Seiten und Winkel in der Dreieckskette
war die eigentliche Triangulierung vollendet. Um sie für die Erdmessung
auszunutzen, wählte Snell in der Kette einen von Alkmaar bis Bergen
creichenden Streckenzug aus, der in der Nähe des Meridians von Leiden
verlief, und projizierte alle Strecken des Zuges senkrecht auf diesen
Meridian. Die Summe der Projektionen mußte die Länge des Meridian-
bogens zwischen den Parallelkreisen von Alkmaar und Bergen ergeben.
Die Projektion durfte rechnerisch im Sinne der ebenen Trigonometrie
behandelt werden und ließ sich vollziehen, sobald wenigstens von einer
Strecke das Azimut bekannt war. Snell gliederte seine Wohnung durch
Rückwärtseinschneiden in die Dreieckskette ein und maß die Azimute
der Zielrichtungen von da aus nach Leiden und nach Haag. So fand er für
den fraglichen Meridianbogen eine Länge von 33 930 rheinl. Ruten oder
127788 m. Noch war schließlich der Breitenunterschied zwischen Alkmaar
und Bergen zu ermitteln. Aus Beobachtungen am Polarstern wurde die
Polhöhe von Alkmaar zu 52°40'30" und die von Bergen zu 51° 29' 0”
gefunden. Der Unterschied beträgt 1°11’30" und daraus ergab sich
für die Meridianminute eine Länge von 1787 m, die um 3,5%, zu klein ist.
Man vergleiche hiermit die von Martus in der „Astronomischen
Erdkunde“ (S. 46 ff.) mitgeteilte Berechnung eines Bogens auf dem
Meridian von Berlin. Die im Jahre 1846 gemessene Basis war 2336 m
lang und das Basisnetz lieferte die über 30 km lange Strecke Berlin —
Eichberg als Grundlinie einer Großtriangulierung. Der Streckenzug:
1) Vgl. Jordans Handb. d. Vermessungskunde Bd. III. Auch die kleine „Geo-
jäsie‘ von Reinhertz (Sammlung Göschen).