Full text: Handbuch des mathematischen Unterrichts (2. Band)

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Berechtigung verschiedener Methoden 43 
bald sie schablonenmäßig angewandt oder auch nur übertrieben werden. 
Daher ist es am besten, sie vollständig miteinander zu verschmelzen. 
So halten wir es für verkehrt, wenn man im frigonometrischen 
Unterrichte nur solche Aufgaben auswählt, bei denen die ganze Arbeit 
des Schülers darin besteht, die geometrischen Operationen, die bei der 
Konstruktion ausgeführt sind, in trigonometrische Formeln umzusetzen. 
Gewiß können wir es verstehen, wenn der Lehrer auf geometrische Be- 
weise dringt und seine Schüler anleitet, die Schönheit anschaulicher Be- 
weise zu würdigen. Auch verkennen wir nicht, daß es wesentlich zur 
Ausbildung des Raumsinnes beiträgt, wenn die Schüler lernen, geo- 
metrische Operationen in die Sprache der Trigonometrie zu übertragen. 
Aber damit ist die Aufgabe der Trigonometrie als eines selbständigen 
Zweiges der Mathematik nicht erschöpft. Die Trigonometrie darf nicht 
ein bloßes Anhängsel der Planimetrie sein; sie muß auch Gelegenheit 
finden, ihre eigene Kraft zu zeigen. Überdies verlangt der Schüler auf der 
Stufe, zu der ihn der frühere Unterricht erhoben hat, kräftigere Kost; 
eine so leichte Arbeit, wie sie hier von ihm gefordert wird, entspricht 
seinen geistigen Kräften nicht mehr. Die angegebene Behandlungs- 
weise enthält aber geradezu eine Unwahrheit in sich. Vielfach ist z. B. 
aine geometrische Konstruktion aus trigonometrischen Entwicklungen 
hergeleitet; die geometrische Herleitung hat sich dann. erst nachträglich 
argeben und trägt vielleicht geradezu einen künstlichen Charakter. Jetzt 
verschweigt man dem Schüler die eigentliche Grundlage der Konstruk- 
;ion. Man macht es ihm unmöglich, mit Methoden bekannt zu werden, 
die zu neuen Lehrsätzen und schwierigen Konstruktionen führen. Man 
beachtet ferner nicht, daß der Schüler nicht nur mit dem geometrischen, 
sondern auch mit dem analytischen Charakter der Mathematik vertraut 
werden muß. Endlich möchten wir daran erinnern, daß der Schüler auch 
erfahren muß, wie man entscheidet, ob eine vorgelegte Aufgabe auf 
elementarem Wege gelöst werden kann. Zu dem Zwecke muß er aber 
Jie Aufgabe erst auf analytische Weise angreifen; nur die Gleichung, 
auf die er hierbei geführt wird, belehrt ihn darüber, ob Lineal und Zirkel 
zur Lösung ausreichen oder nicht. 
Noch verkehrter würde es aber sein, wenn man sich auf solche Auf- 
gaben beschränken wollte, die nach einem festen Schema ohne jede geo- 
netrische Anwendung rein algebraisch erledigt werden können. Gewiß 
Jäßt sich hierbei leicht einige Geschicklichkeit erreichen. Auch ist die 
Zahl der Aufgaben, die in dieser Weise behandelt werden können, sehr 
zroß. Man kann also leicht den Schein erwecken, als ob die Schüler 
große Kenntnisse in der Trigonometrie besäßen. In Wirklichkeit hat 
man es aber nur zu einer gewissen Fertigkeit ohne allen wissenschaft- 
lichen Wert gebracht. Mit Recht bekämpft Reidt „die leider vielfach 
vorhandene Neigung nach vorwiegend analytischer Behandlung der 
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