Full text: Zur Frage der Erziehung des künstlerischen Nachwuchses

Il. EINLEITUNG 
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DD Erziehung des künstlerischen Nachwuchses ist eine 
brennende Frage der Gegenwart geworden. Führende 
Persönlichkeiten der Kunst haben dazu das Wort ergriffen, Ver- 
sammlungen der Berufsverbände sind veranstaltet, Denkschriften 
verfaßt, Vorschläge aufgestellt, Bücher darüber geschrieben, 
Daß sich die geäußerten Ansichten vielfach widersprechen, ist 
der beste Beweis für die Schwierigkeiten, die mit dem Gegen- 
stande verbunden sind. 
Diese Schwierigkeiten liegen zum Teil darin, daß die 
künstlerische Erziehung, im heutigen Schulsinne gegriffen, sehr 
jung, vom Standpunkte vieltausendjähriger Geschichte ein 
allerneuestes Ereignis ist. Hauptsächlich kommt aber in Betracht, 
daß unsere heutige künstlerische Erziehung auf der Schule 
nur ein Ersatzmittel für etwas ist, was bisher im ganzen Verlauf 
der Menschheitsgeschichte üblich war, nämlich für die Werkstatt- 
lehre beim Meister. Bei dieser Werkstattlehre, die sich sowohl 
auf jeden handwerklichen Beruf als auch auf Malerei und 
Bildhauerei bezog, gab es die heutigen Zweifel nicht. Die 
Sache vollzog sich so einfach wie die Säuglingsernährung durch 
die Mutterbrust. Erst bei künstlichen Nährmitteln beginnen 
die Schwierigkeiten und unter Umständen die Gefahren. Als 
ein Ersatzmittel muß aber auch die Erziehung des Künstlers 
durch die Schule betrachtet werden. 
Die Frage, warum heute in der künstlerischen Erziehung 
die altbewährte, durch Jahrtausende geübte Lehre der Werk- 
statt verlassen worden ist, ist nicht schwer zu beantworten. 
Wir stehen hier vor denselben Umwälzungen, die sich seit der 
Mitte des 18. Jahrhunderts in unserem gesamten geistigen, 
wirtschaftlichen, technischen und sozialen Leben vollzogen 
haben, Umwälzungen, die unsere Zeit in einen unüberbrück- 
baren Gegensatz zu allen früheren geschichtlichen Zeitabschnitten
	        
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