1995
WARE IL 3
ein pachter endlich faszte muth ...
ein zwanzig pfund, die will ich wohl dran wagen;
der täuscher, hoch vergnügt die waare loszuschlagen,
schlägt hurtig ein. SCHILLER 11, 19 (Pegasus).
so nimmt in einigen gegenden, wo das vieh hauptgegen-
stand des handels ist, ware diese verengte bedeutung an,
besonders “rindvieh’ (dann auch ohne rücksicht auf den
handel, wie im ags. ceap ‘kauf” und ‘vieh’ bedeutet). im
aglem.-schwäb.: waar, vieh, rindvieh zeitschr. f. d. mda.
1907, 812 (Interlaken); ‘possessio pecudum’ (Bern) From:
MANN 4, 148; löbwar oder war (collectiv, ohne pl.) HUN-
ZIKER 286. SEILER 310®* (nach SCHMELLER 2, 968 lebwar
auch in Tirol); schöni wär vom wviehstand’ MARTIN-
LIENHART 2, 844®*; dio wär, dia jung waar, junges vieh,
kälber BIRLINGER wb. z. volksth. a. Schwaben 90; im
winter hatten wir allemal zu wenig futter, oder zu viel
fressende waar (BRÄKER) der arme mann im Tockenburg 15;
Hansli war kein lützeler bauer; er hatte ein rosz im
stall und drei bis vier kühe, und hätte noch mehr ware
haben können GOTTHELF 8, 9 volksausg. doch auch in
Norddeutschland ist ähnliches bezeugt: soll auch kein
fleischauwer, herr oder knecht, saugende waren, als da
sein kälber und lammer, von einen verkaufer kaufen
KRUMBHOLTZ die gewerbe der stadt Münster 2038 (17. jahrh.).
b) eine verengte, nur selten belegte, anscheinend aber
zeit dem 16. jahrh. weit verbreitete bedeutung, die als mund-
artlich noch im 19. jahrh. gebucht wird, war “medizin,
droge’: sein (des obersten feldarztes) ampt belangt und
ist weiter, das er... den feldscherern ir instrument und
wahr sampt dero notturft besichtigt FRONSPERGER
kriegsb. 1, 81® (1573); da ich durch Lothringen passirte,
zing mir meine wahre (theriak) aus Simplic. 1, 387, 17
(4, 9) Kurz; unter welchen (quacksalbern) zwey fast zu
schlägen kommen wären, indem immer einer des an-
deren wahre verachtete mediz. maulaffe (1719) 211; waor,
in mehreren gegenden soviel als medizin, oft aber nur die
in mixturform (geg. pulver) DANNEIL 244;
für hunds apteckern uns bewar,
lie gute zehn ausbrechen,
und von ir alt verfelschten wahr
fein wissen hoch zu sprechen,
RINGWALDT evangelia C 1;
wild, von der kunst nicht bezähmt, besetzten die ebnen
und neigen
haine von cocus, und sträuche mit cinnamomus
und myrrhen.
eine wildnisz wolriechender waar!
1765: eine wildnisz von weihrauch)
BODMER Noah (1752) 7 (1, 103).
(vgl. auch th. 4, 1, 5332 aus TH. GART: mit balsam, wurtz
und andrer gwar).
8) bedeutungserweiterungen.
a) die gelegentlich auftretende bedeutung ‘hab und gut’
kann von ware (die zum eigenthum geworden ist) aus ge-
wonnen werden, darf vielleicht aber direct mit der wahr-
scheinlichen grundbedeutung ‘was man im gewahrsam hat‘
in verbindung gebracht werden. sie erscheint in einigen
alten belegen s.o. I, 2 paraphrase des buches Hiob und
statuten d. d. ordens war ader geröthe (vgl. auch: die
mit irer habe und geware understanden hynweck zu
furen DIEFENBACH-WÜLCKER 618 und Germania 9, 176€
aus dem urkundenb. vom kl. Arnsburg: so die geistl,
herrn mit iren geladen wagen durch die staid faren und
ir gewar furen). aus dem 17. jahrh. wird angegeben: ware
ist gut und gelt, güter, habschafft GÜNTZEL 834; noch jetzt
mundartlich: war, habe SCHOTT colonien in Piemont 345;
öiz hob’n s’unser woar und unser biszla göld.
GRÜBEL 1, 91, 4;
eingeschränkter: er traf seine mutter allein an, mit einem
haufen war d.h. kleidungszeug um sich südd. monats-
hefte 1914 okt. 8.136 (aus dem Bayreuther lande).
&) zuweilen verallgemeinert sich die bedeutung zu ‘ding,
sache’, verächtlich ‘kram’: die Krichen, Behemen ...
wollen sich auch mit ablas, bullen, bley, pergamen
und was der romischen war mehr sein, nit lassen schin-
den und schenden LUTHER 6, 287, 13 Weim. ausg.; dann
nichts uff erden ist unerkantlicher dann ein mensch.
alle wahr mag man kennen lernen den menschen ausz-
genommen Petrarche trostbücher 47°; so höre ich wol,
der feldherr halte die ... waffen für eine ihrem ge-
WARE II, 4 1996
schlechte nicht gewiedmete waare LOHENSTEIN Arminius
„ 198*; mundartlich: sö liat de wär, so stehen die sachen
WOESTE 315. besonders ‘schlechte, üble sache’: dere war
wot i nid, solches zeug mag ich nicht HUNZIKER 286; dEs
;s 9° dumm? wär, ein bedenklicher umstand; er macht
‚auter nerrscha wär, dummes zeug SCHMELLER 2, 986;
jä, sei” tuat’s um die schlechten leut schö” decht äso X wär
‚um die armen ist es doch recht übel bestellt).
HARTMANN wvolksschausniele 35, 185 (8. 307)
(Brixlegger hirtenspiel).
4) bildlicher und übertragener gebrauch.
a) ware wird auch mit bezug auf personen verwandt,
wobei theils von der vorstellung des käuflichen oder ver-
täuflichen ausgegangen wird, theils auch nur ein vergleich
mit geringwertigen waren zu grunde liegt.
&) die eigentliche bedeutung liegt vor, wenn die sklaven
ıls schwarze ware bezeichnet werden:
ich habe goldstaub und elfenbein —
die schwarze ware ist besser.
HEINE 2, 117 Elster,
Xldlich und in vergleichen: wenn du dich von alten
'reunden trennst, da diese waare doch nicht auf jedem
markt zu kaufen ist, so muszt du gründe haben HEYSE
tinder der welt 1, 165; kaum findest du... deinen freund
wieder, so siehst du ihn schon als eine waare, als einen
zegenstand deiner speculation an, mit dem sich etwas
zewinnen läszt GÖTHE 23, 138 Weim. ausg.; die vielen
'amilien ..., die mit der beschwerlichen waare ihrer er-
wachsenen töchter auf einen so reichen erben ... ein
auge haben mögten ENGEL 1, 27. beliebt sind verächt-
'iche hinweise durch solche, derlei wu. ä.: solche fratzen
buhlerinnen) kosten batzen. . .., solche wahr will denar
ABR. A S. CLARA Judas 2 (1690) 41; solche waare (com-
modity) von ofenhockern, die eben so gern den teufel
hören, als eine trommel Shakespeare Heinr. IV. I, 4, 2;
lie geringwertigkeit wird meist durch adjectiva, die auch
bei der eigentlichen bedeutung gebräuchlich sind, ausge-
Zrückt s. u. 6 geringe, leichte, lose ware; ironisch gute,
rechte ware; ware geht in diesem gebrauch sowohl auf
zruppen von personen als auch auf einzelne.
BB) mundartlich ‘ist ware, auch ohne herabsetzende ad-
jectiva, scheltwort (zuweilen gemildert zum neckwort),; meist
sollectiv: alem. waar ‘gesindel’, dim. wäärli TOBLER 437°;
wär ‘pack’ MARTIN-LIENHART 2, 8442;
’8 lauft so (solche) waar iez gnueg im land, wo bettlen
und stehle.
HEBEL 1, 115.
md. wöer, in Meiningen ‘gemeines, schlechtes volk’ SPIESZ273;
wöar ‘familie zweifelhafter art’ zeitschr. f. hochd. mda. 3, 258
“Oberhessen); auch in Nürnberg: 8° böwr&ä war ‘ein
ırmseliges volk’ FROMMANN 1, 289, 15. — gern von kindern:
waar ‘von unartigen kındern' SEILER 310*; “böse buben’
MARTIN-LIENHART 2, 844; dia wär ‘kinder’ BIRLINGER
wb. 90, der aus der Biberacher chronik (17. jahrh.) an-
Führt: die waaren (halberwachsene) und kinder; jungi
war Junges volk' (nicht verächtlich) SEILER 310%; die
junge waar’ aber, die schüler, hat stangen ... mit-
zebracht BIRLINGER wvolksth. aus Schwaben 2, 361; die
<leine ware ‘kinder’ SCHMELLER 2, 968; die Marie-Lies’
nit kleiner war’ ANZENGRUBER?® 3, 117 (dorfgänge 1).
b) das buch ist die ware des buchhändlers; weil dadurch
zugleich die gedanken des verfassers handelsgegenstand
werden, wird ware in verächtlichem sinn auf sie ange-
wandt: nun sehen sie ..., dasz wir mit schrifften genug
zu marckt kommen, doch ligt es nur an auszlegung der
waar und wie es die krämer verstehn FISCcHART binen-
corb (1588) 132*; jeder autor hat seine eigne weise, seine
waare an den mann zu bringen BoDdE Tristram Schandi
1774) 1, 31; Leipzig ist freylich . . . die stapelstadt der
waaren, die diese gelehrten handwerker zu jeder messe
rerfertigen NıcoLAI Seb. Nothanker 1, 90; ware, ware!
ıannten sie deine memoiren, o Satan HAUFF (Stuttg. 1890)
!, 142, auch sonst werden geisteserzeugnisse — schriften,
yrzählungen, aussagen u. 8. f. — in scherzenden oder
'ronischen wendungen als ware bezeichnet: ich hätte
ıängest gerne mein unterthänige dienst ... gegen e.f. g.
nit etwas geistlicher waare, die mir zuständig, erzeiget
“UTHER briefe 1,435; so müssen sie (die fürsten) auch un-
wa
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