Einleitendes.
lie Belastung angehängter Kranträger (Abb. 221) und überhaupt starke dynamische Ein-
wirkungen im Laufe der Zeit ungünstige Folgen haben können, ist selbstverständlich.
Man muß in solchen Fällen besonders vorsichtig konstruieren, um frühzeitige Durch-
sackungen des Untergurtes zu verhindern. Wenn möglich, sollten besondere Kran-
stützen (Abb. 254, 280, 370) oder fahrbare Portalkrane Verwendung finden (Abb. 434).
Es ist eine bekannte Tatsache, daß so manche Dachbauten jahrhundertealter Kirchen und Schlösser
noch jetzt ihren Zweck durchaus erfüllen und die Notwendigkeit, Holzbauwerke wegen tatsächlicher
Altersschwäche abreißen zu müssen, kommt nur in den seltensten Fällen in Frage. Im Zentralblatt
der Bauverwaltung (1907, S. 418) ist eines rd. 100 Jahre in Gebrauch befindlichen, in Holz überdeckten
Exerzierhauses des Alexander-Regiments in Berlin in einem längeren Aufsatz Erwähnung getan. In
zleicher Zeitschrift befindet sich an anderer Stelle eine ausführliche Beschreibung einer ebenfalls 100 Jahre
ılten Dachkonstruktion aus der Goetheschen Zeit im Theater zu Lauchstädt. Ein 1666 in Merdingen
dei Freiburg i. Br. erbautes Fachwerkhaus mußte erst 1909 erneuert werden. Die Boothhalle in London,
um 1400 erbaut, ist erst 1921 eines Schornsteineinsturzes wegen abgerissen worden. Hingewiesen sei
außerdem auf die Holzkonstruktionen des Lehrter Bahnhofes in Berlin und der Hamburger Bahnhöfe,
die sich alle bestens bewährt haben; es ist nicht einmal bekannt geworden, daß sich infolge Funkenflug
oder Raucheinwirkung irgendwelche Schädigungen an den Holzteilen gezeigt haben. Die im Jahre 1848
erbaute schöne Halle des alten Münchener Bahnhofes?) ist noch heute gut erhalten und dient jetzt dem
Betriebe als Schalterhalle. Für die neuen Schuppen des Stuttgarter Hauptbahnhofes konnte das Holz
des 1868 erbauten und 1890 erweiterten Ausladeschuppens restlos verwendet werden; das Holz war
vorzüglich erhalten, ohne Fäulnis und Schwamm (Bautechnik 1924, S. 168). Weiterhin sind zwei große
Lokomotivschuppen, 1875 auf Bahnhof Eßlingen erstellt, bis auf den heutigen Tag erhalten geblieben.
Bekannt sind weiterhin Holzdachkonstruktionen für Gießereigebäude, die ohne besondere Schutzmaß-
nahmen seit über 40 Jahren ihrer Bestimmung in ausgezeichneter Weise dienen. Kurzum: Bedenken
bezüglich der Lebensdauer der Holzkonstruktionen, wie solche jetzt häufig laut werden,
sind, sofern die Bauten gegen Witterungseinflüsse geschützt werden, keines-
wegs am Platze.
e) Leichte und schnelle Ausführung: von An- und Umbauten. An- und Um-
bauten lassen sich häufig ohne Störung des Betriebes leicht durchführen. Bei Industrie-
und Eisenbahnbauten möchte die Möglichkeit späterer Um- und Anbauten von vorn-
herein nicht außer acht gelassen werden. So manches, mit vielen Kosten hergestellte
massive Bauwerk hat vollständig seinen Wert verloren, weil es den Änderungen
oder Erweiterungen des Betriebes nicht mehr angepaßt werden konnte.
fi) Geringer Kohlebedarf für Bearbeitung und Zusammenbau. Das deutsche
Baugewerbe ist nach dieser Richtung hin zum Umlernen gezwungen gewesen; der
Mangel an Rohstoffen und an Kohle machte es erforderlich, alte Bauweisen hintan-
zustellen und Baustoffe zu bevorzugen, die zu ihrer Gewinnung und Bearbeitung
möglichst wenig Kohle benötigen.
g) Einfache architektonische Behandlung. Dem Architekten sind ganz neue
Aufgaben gestellt, die recht verschieden gelöst werden können. Richtig ist die Zu-
sammenarbeit von künstlerischer Auffassung und ingenieurmäßig gut durchdachter
Formgebung. Beachtenswert ist z. B. der Vergleich der neuen Breslauer Meßhalle
‚Abb. 496) mit der Radiohalle in Berlin (Abb. 348). In jenem Falle sind es außergewöhn-
lich leichte, gefällig wirkende Bogenträger, die die Dachhaut tragen, während bei
der zuletzt genannten Radiohalle das Tragwerk infolge seiner Umkleidung monumen-
tal-wuchtig wirkt. Für gewöhnlich wird die Wirkung von Vollwandbindern (man
vergleiche z. B. Abb. 429, 432, 433, 543) in schönheitlicher Beziehung am günstigsten
sein. Fachwerke wirken zumeist — bei der perspektivischen Aufeinanderfolge —
unruhig, sofern sie nicht verschalt oder durch angehängte Zierdecken (Abb. 228)
verdeckt werden. Bemerkenswert sind auch Ausführungen nach Abb. 227 und Abb. 454,
bei welchen die raumabschließende Decke nicht auf den Obergurt, sondern auf den
Untergurt gelagert wurde. Man kann oft auch mit Vorteil das Hilfsmittel der Farbe
anwenden. Bei der Münchener Verkehrsausstellung 1925 sind in dieser Beziehung
hervorragende und vorbildliche Leistungen geboten worden. Oft wird ein einfaches
weißes Tünchen genügen, um eine wohltuende Wirkung zu erzielen.
1) Vgl. Gottgetreu, Lehrbuch der Hoshbaukonstruktionen. Berlin 1882, S. 221.