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unter einem spitzen Winkel schneidet, läßt sich aus einer gegebenen Luftdruck—
vertheilung das zugehörige Windsystem leicht folgern. Nun verlaufen aber auf
unseren Gebieten die mittleren Isobaren in den Monaten September bis Januar
von WSW nach ONO, im Februar und März sowie Juni bis August von W
nach O oder auch nach OsO, während gleichzeitig der Luftdruck von Süd oder
Südost nach Nord oder Nordwest hin abnimmt; daraus ergeben sich mit Noth—
wendigkeit in den genannten Monaten vorwaltende südwestliche oder im Sommer
auch westliche Winde, die also auch im Jahresdurchschnitte die Oberhand haben
müssen. Lediglich im April und Mai sind die Druckverhältnisse etwas anders
gestaltet. Sie zeigen geringere, aber unregelmäßige Unterschiede und es treten
nördliche bis östliche Winde mehr hervor. Alles dies steht im Einklange mit
dem oben geschilderten Windsysteme.
Damit ist jedoch nur bewiesen, daß und warum über dem Ems-Weser—
gebiete der Wind vorwiegend eine südwestliche und westliche Richtung hat. Daß
er aber auch der Regel nach von weit her aus dieser Richtung kommt und zu—
meist den milden ozeanischen Charakter hat, folgt aus der speziellen Luftdruck—
bertheilung über unserem Gebiete nicht unmittelbar, da ja die Isobaren schon
nahe vor den Grenzen umbiegen und also die Westwinde nördlichen oder südlichen
Ursprungs sein können; vielmehr ergiebt sich dies erst aus der allgemeinen Luft⸗
druckvertheilung in ganz weiter Umgebung.
Im Südwesten von Europa hat man fast konstant hohen Luftdruck, dem
m Nordwesten über dem Atlantischen Ozean ein Depressionsgebiet gegenüberliegt.
Im Mittel resultiert daraus eine allgemeine südwestliche Strömung, welche in der
kühleren Jahreszeit die warme Seeluft dem westlichen Europa zuführt; in der
wärmeren Jahreszeit rückt der hohe Luftdruck etwas nordwärts und die Depression
äber dem Atlantischen Ozean wird flacher, infolgedessen die Winde mehr nach
Westen drehen und schwächer werden.
Diese mittlere Luftdruckvertheilung ergiebt also, wie für das westliche Europa
überhaupt, auch für unser Gebiet die Resultante des Windsystems und den Grund—
charakter unseres Klimas. Aber so wie das Klima sich aus den verschiedenen
Formen der Witterung zusammensetzt, so erleidet auch die Luftdruckvertheilung
in Wirklichkeit von Tag zu Tag gewaltige Umgestaltungen. Jenes Tiefdruck—
gebiet über dem nordatlantischen Ozean ist keineswegs ein beständiges Gebilde,
sondern es lösen sich auch dort Antichklonen und Cyklonen ab und wandernd
folgen sie einander bald in schnellem, bald in langsamem Wechsel, doch so, daß
reilich die letzteren überwiegen. Häufig genug dringen die Cyklonen in den
Kontinent ein, auch ins Ems-Wesergebiet (besonders auf der Zugstraße III
ind IVb der van Bebber'schen Typen), oder drängen das Hochdruckgebiet im
ZSüdwesten zurück. Und dieses wieder ändert Umfang und Lage in mannig—
faltiger Weise, bald Westdeutschland, ja auch die britischen Inseln begreifend,
bald auf das offene Meer beschränkt. Ihm steht im Winter ein zweites, der
Erkaltung des Kontinents seine Entstehung verdankendes Hochdruckgebiet im Osten
gegenüber, welches manchmal bis nach Skandinavien reicht, aber auch Deutschland
umfassen kann. Der Kampf dieser verschiedenen Luftdruckgebilde gegen einander
mit ihren unaufhörlichen Umformungen, Verschiebungen und Zustandsänderungen