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haben die Dränagen hauptsächlich im Schwalmgrunde, im Löwensteiner Grunde
und an der unteren Schwalm, wo der Zuckerrübenbau die Tiefkultur nothwendig
gemacht hat, größere Verbreitung gefunden. Ihrer Durchführung an anderen
Stellen, wo der Boden höchst dränagebedürftig ist, steht die Mittellosigkeit der
durch Zersplitterung des Grundbesitzes und durch Bewucherung verarmten bäuer—
lichen Bevölkerung hindernd im Wege. Offenbar ist durch die Verbesserung der
Vorfluth mittels offener Gräben der Abfluß des Wassers beschleunigt worden,
ohne daß die Aufnahmefähigkeit des Bodens durch Dränagen in gleichem Maße
vermehrt wurde. Für den beschleunigten Abfluß erweist sich aber als nachtheilig,
daß die meisten Mühlenstauwerke in den gefällärmeren Bachstrecken keine Grund—
schleusen haben und daß ihre Fachbäume für die Hochwasserabführung zu hoch
liegen. Bei außergewöhnlich starken Regengüssen treten daher an vielen Stellen
Ueberschwemmungen ein, die erhebliche Verluste an der Heu- und Grummeternte
verursachen. Durch Umbauten der Mühlenwehre und durch bessere Räumung der
obielfach verschotterten oder verkrauteten Bachbetten würde diesem— Uebelstande ab—
zuhelfen sein.
Die Beackerung der steinigen Steilhänge im Gebirgslande lohnt die Arbeit
schlecht und hat an manchen Stellen zu Abschwemmungen der Bodenkrume Anlaß
gegeben. Besseren Schutz bietet für solche schroffen Berglehnen eine kurze Gras—
oder Heidekrautnarbe, die als Schafweide dient, vermag aber den raschen Abfluß
des Niederschlagwassers nicht aufzuhalten. Namentlich wirken in dieser Weise
die früher sehr ausgedehnten gemeinsamen Huteflächen mit vereinzelten hoch—
stämmigen Eichen und Buchen, die bei den Verkoppelungen theilweise der lichten
Holzbestände vollständig beraubt, theilweise aber in Hochwald umgewandelt worden
sind. Wo die Umwandlung in Wald noch nicht stattgefunden hat, die öfters
Schwierigkeiten begegnet, da der Boden zu sehr verarmt ist, gehen die mageren
Hutungen und kümmerlichen, nur für den Bau von Hackfrüchten benutzbaren
Felder an den Berghängen allmählich in Oedland über. Halb und halb dahin
zu rechnen sind auch die früher weit mehr als jetzt verbreiteten Triesche auf dem
Knüllfelde und in anderen Hochlagen, die nach langjähriger Brache vorübergehend
durch Ausharken und Verbrennen der Moosdecke auf kurze Zeit für Heidekorn
und Hafer tragbar gemacht werden. Vollständiges Oedland bilden nur die eine
geringe Ausdehnung besitzenden Flächen nackten Gesteines und die Steinbrüche.
5. Bewaldung.
Zahlreiche Spuren uralter Besiedelung (Hünengräber) deuten darauf hin,
daß die durch milderes Klima ausgezeichnete flachhügelige Zone des Schwalm—
gebiets eines Theiles ihrer Waldhülle schon vor Jahrtausenden beraubt worden
sein mag. Im Gebirgslande haben die Verwüstungen zur Kriegszeit, das unbe—⸗
dachte Anroden magerer Ländereien, die man nach wenigen Ernten brach liegen
ließ, ferner die sehr ausgedehnten Hutebefugnisse in den Gemeindewaldungen,
schließlich der Holzfrevel und die Wegnahme der Waldstreu als Ersatz des
Strohes, das die ackerarmen Walddörfer nicht in genügender Menge für ihre
Viehhaltung gewinnen, bis in das 19. Jahrhundert hinein zur Verminderung