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stammt, wogegen der gewöhnlich (allerdings nicht überall) sehr durchlässige
Muschelkalk im Werragebiete umfangreiche, im Fuldagebiete aber nur kleine
Flächen einnimmt.
Letzterer Umstand wirkt auch wohl darauf hin, daß bei den gewöhnlichen
Wasserständen die Werra verhältnißmäßig reichlicher als die Fulda gespeist wird.
Denn obgleich sich ihre Gebietsflächen ungefähr wie 3: 4 verhalten, führen bei
mittleren Wasserständen beide Flüsse doch ziemlich gleich große Wassermengen.
Im Uebrigen zeigt ihr gesammtes Verhalten während des Kreislaufs des Jahres
große Aehnlichkeit. Nach Aufzehrung der Wasservorräthe, die bei der Schnee⸗
schmelze, sofern der Boden nicht gefroren ist, in diesen eindringen, stellt im Hoch—
sommer sich ein fühlbarer Wassermangel ein, obschon er die niederschlagreichste
Zeit des ganzen Jahres bildet. Diese geringe Einwirkung der Sommerregen auf
die mittleren Wasserstandsverhältnisse hat mehrere Gründe. Zunächst ist in der
heißesten Jahreszeit auch die Verdunstung recht lebhaft, ebenso die Aufsaugung des
Wassers durch die Pflanzenwelt, die ja in mancher Beziehung nur eine Abart der
Verdunstung darstellt; daher kommen die schwächeren Niederschläge dieser Jahres—
zeit für die Speisung der Flüsse überhaupt kaum in Frage. Die ergiebigsten
Regen gehen andererseits aber oft, mit Gewittern verbunden, in so kurzer Zeit
und mit solcher Heftigkeit nieder, daß der Wassermangel plötzlich von einem
nicht minder unerwünschten Hochwasseransturm abgelöst wird, der in den kleineren
Wasserläufen fast ebenso rasch wieder verschwindet, wie er aufgetreten ist. Der
Hauptfluß wird dabei selten bedrohlich in Mitleidenschaft gezogen, da diese
Regengüsse gewöhnlich nur kleine Gebiete überschütten. Die Herbstregen, die
einen zweiten Anstieg der Niederschlagslinie mit sich bringen, erweisen sich da—
gegen viel wirksamer für die Wasserführung der Gewässer. Sie besitzen meist
eine große Ausbreitung und kommen außerdem gerade in den Gebirgen ihrer
Stärke nach den Sommerregen am nächsten (vergl. Bd. J, 1. Abth. 2. Kap.).
Deshalb beginnt mit dem Herbste die Zeit der großen und ausgedehnten Hoch—
fluthen, wobei ein kaum zu merkender Uebergang aus der Zeit der Regen- in
die der Schmelzwasserfluthen stattfindet, da in den Gebirgen das zweite Maximum
des Niederschlags vielfach in den Frühwinter hineinrückt. Um die Mitte des
März erreicht diese Hochwasserzeit gewöhnlich ihr Ende, während die Wasser—
führung noch längere Zeit hindurch ziemlich kräftig bleibt. In kalten Wintern
bildet sich eine starke Eisdecke; der Eisgang läuft jedoch meist ohne schwere
Schäden ab.
2. Einwirkung der Nebenflüsse.
Bei einem Hochwasser, das vom Thüringerwalde kommt, laufen die Fluth—
wellen der Hasel und Schmalkalde, wie schon ein Blick auf das Gewässernetz (Bl. 2)
zeigt, den aus dem Quellgebiete (Werra-Quellbach und Schleuse) kommenden
Fluthwellen voraus. Noch weit vor ihnen aber läuft die Fluthwelle der Hörsel
thalwärts, so daß allein schon diese Gewässer eine bedeutende Dehnung der Fluth⸗
wellen im Hauptflusse herbeiführen. Wird gleichzeitig die Hohe Rhön von starken
Niederschlägen getroffen, so tragen auch die Felda und Ulster hierzu bei, und
zwar kommen sie im Allgemeinen den Gewässern von der Südwestseite des