3. Abtheilung. 6. Kapitel.
Eisverhälknisse.
1. Allgemeine Bemerknugen.
In unseren früheren Veröffentlichungen finden sich so eingehende allgemeine
Bemerkungen über das Entstehen und Vergehen der Eisbedeckung, daß im Nach—
folgenden nur die besonderen Eigenthümlichkeiten der Eisverhältnisse des Weser—
troms betrachtet zu werden brauchen, im Uebrigen aber auf die bereits erschienenen
Vydrographisch-wasserwirthschaftlichen Darstellungen verwiesen werden darf. Be—
sonders lehrreich ist ein Vergleich der Weser-Eisverhältnisse mit denen der östlichen
Ströme, die vielfach andersartigen klimatischen Bedingungen unterliegen. Die
wichtigsten Ergebnisse der in den Bänden JI1 bis IV des Memel-, Pregel- und
Weichsel-Werkes enthaltenen Untersuchungen hierüber sind im Bande J auf Seite
301/8 übersichtlich zusammengefaßt. Während bei den östlichen Strömen die Eis—
verhältnisse eine beherrschende Stelle im Verlaufe des Abflußvorganges einnehmen,
da nicht nur im größten Theile des Winters der Wasserspiegel durch das Eis hoch
angestaut, sondern auch beim Eisaufbruche und Eisgange eine oft verderblich hohe
Steigerung der Wasserstände herbeigeführt wird, spielen sie bei der in milderem
Klima fließenden Weser eine weit bescheidenere Rolle. Am besten eignet sich für
den Vergleich die Weichsel, deren Quellgebiet im Gebirgslande liegt, wogegen die
beiden anderen östlichen Stromgebiete ausschließlich dem Flachlande angehören.
Besondere Aufmerksamkeit haben wir der Frage gewidmet, in welchem Maße die
Eisverhältnisse durch den Ausbau des Stromes verbessert worden sind. Dies ist
in so weitgehender Weise geschehen wie wohl kaum bei einem anderen Strome.
a) Bildung und Aufbruch der Eisdecke.
Die Bildung der Eisdecke wird durch das Grundeistreiben eingeleitet, das
dei etwa — 5 bis 60 0. anfängt und bei anhaltendem Froste an geeigneten Stellen
ins Stocken geräth. Alsdann beginnt der Eisstand, der sich je nach der Masse
des treibenden Grundeises schneller oder langsamer stromaufwärts fortpflanzt.
Außer der sichtbaren Eisdecke entstehen hierbei zuweilen durch Uebereinander—
schieben der Grundeisschollen Eisversetzungen, deren Vorhandensein durch Ver—
nehrung des ohnehin auftretenden Eisstaues bemerklich wird. Bei trockenem
Thauwetter hat sich zuweilen in der Weser die Eisdecke aufgelöst, ohne daß eine