allgemeinen, für die Beurtheilung der Gefällverhältnisse im Tidegebiete maß—
zebenden Gesichtspunkte, die in der amtlichen Veröffentlichung über die Korrektion
Her Unterweser ausführlich behandelt sind,“) kann hier nicht näher eingegangen
werden. Jedoch wird es wohl unmittelbar einleuchten, daß im Tidegebiete eines
Stromlaufs, wenn es unter günstigen natürlichen Bedingungen sich vollkommen hat
ausbilden können, der beschriebene Neigungswechsel der Tidelinie von seiner an—
nähernd wagerechten Lage bis zum Uebergange in das Gefälle des Binnenstroms
sich ohne augenfällige Unregelmäßigkeiten in schlanker und stets gleichgerichteter
Krümmung vollziehen wird. Trotz der auf S. 33 kurz beschriebenen argen Ver—
wilderung des Strombetts, die bis zum Beginne der jetzigen Korrektion bestanden
Jat, ist gegenwärtig diese Forderung für die untere Hälfte des Tidegebiets von
Bremerhaven bis Elsfleth der Erfüllung nahe gebracht.
Daß oberhalb von Elsfleth die Niedrigwasserlinie bis nach Bremen hin
gradlinig, zuletzt sogar mit einer kurzen Biegung nach unten verläuft und erst
dann mit plötzlichem steilen Knicke den Anschluß an den Binnenlauf gewinnt, ist
eine durch die wirthschaftlichen Zwecke der Korrektion bedingte Unregelmäßigkeit.
Um vom Bremer Freihafen mit Schiffen von 5 mm Tiefgang auch bei un—⸗
günstigen Fluth- und Witterungsverhältnissen in einer Tide in See gelangen
zu können, und um das bei der großen Binnenfluth von 1881 als gefahrdrohend
eng erkannte Hochwasserbett der Weser innerhalb der Stadt zu erweitern, ist
die Vertiefung der Stromsohle durch Baggerung im oberen Theile des Tidegebiets
bis oberhalb der Stadt über das Maß der natürlichen Entwicklung hinaus—
getrieben worden. Dadurch ist zunächst der Abfluß des Wassers bei Ebbe be—
deutend begünstigt und der Niedrigwasserspiegel gesenkt, zugleich jedoch auch das
Heraufkommen der nachfolgenden Tidewelle erleichtert und sonach der Fluth—
wechsel bei Bremen vergrößert worden.
Da aber weiter unterhalb die Stromquerschnitte noch nicht überall den
erhöhten Anforderungen gemäß erweitert sind, so hat die Zunahme der von der
Fluth heraufgebrachten Wassermengen mit der Beschleunigung ihres Abflusses
aicht Schritt halten können, und es ist aufwärts von Brake, wo das Hoch—
vasserbett noch besonders eng ist, auch die Hochwasserlinie der Niedrigwasserlinie
einstweilen um ein Beträchtliches nachgesunken, weshalb nun bei Bremen in
heiden Linien der erwähnte Knick vorhanden ist. Durch die zu erwartende
veitere Verbesserung des Strombetts in den unteren Strecken wird voraussichtlich
diese Senkung des Hochwasserspiegels sich großentheils wieder ausgleichen lassen.
Die außerordentliche Senkung des Niedrigwassers, die bei Bremen seit Anfang
der Korrektion erd. 2,5 im beträgt, muß aber bleiben und wird oberhalb auch
fernerhin auf eine immer weiter greifende Ausschwemmung der ungeschützten
Zohle des freien Stromes hinwirken, falls nicht die im Entwurfe der Kanalisierung
geplante Wehranlage oberhalb der Stadt zur Ausführung kommt.
Die in der Abbildung leicht angedeuteten mittleren Tidelinien aus der Zeit
oor der Korrektion geben eine Anschauung von der Mangelhaftigkeit des damaligen
Strombetts, in dem die Kraft der Tidewelle schon zwischen Vegesack und Hasen—
*L. Franzius und H. Bücking „Die Korrektion der Unter-Weser“. Leipzig, 1895.