Full text: Die Aller und die Ems (Band 4)

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Hochwasser genügen. Ihre größten Sommerhochwasser hatte die Aller in neuerer 
Zeit im Juni/ Juli 1861, Juni / Juli 1871 und Mai 1898. Unter diesen ist das vom 
Jahre 1871 dadurch eigenartig, daß es sich nicht nur auf das ganze Gebiet der 
Aller, sondern sogar auf das gesammte Gewässernetz der Weser erstreckte. Die 
Fluthwelle der Oker lief der in der Aller entstandenen in diesem Falle, wie es 
scheint, deutlich getrennt voraus; denn bei Winsen wurde am 28. und 29. Juni, 
d. i. am zweiten und dritten Tage nach dem Eintritte des Höchststandes der Oker 
bei Schladen, derselbe Wasserstand beobachtet, was darauf deutet, daß dazwischen 
ein Fluthscheitel an der Pegelstelle vorüberging. Auf das Hochwasser der Oker 
folgte wohl das der Fuhse und Oertze und erst dann das der oberen Flußstrecke 
der Aller; denn an der Pegelstelle Brenneckenbrück trat der Fluthscheitel erst an 
demselben Tage ein wie bei Winsen. In der Leine schob sich eine sehr be— 
deutende, aus deren Oberlauf kommende Fluthwelle auf eine ebenfalls sehr hohe 
Fluthwelle der Rhume. Hierdurch trat an der Pegelstelle Wispenstein der höchste 
für das Sommerhalbjahr sicher bekannte Wasserstand ein, der über dem MIIW des 
Jahres liegt. Nur sehr langsam pflanzte sich der flachgewölbte Fluthscheitel der 
Leine, der wahrscheinlich auch die höchste Abflußmenge der Innerste aufnahm, 
abwärts fort und langte dadurch diesmal erst später in der Mündungstrecke des 
Flusses an, als der Wellengipfel der Aller bis zur Mündung der Leine hin vor— 
gedrungen war. In der untersten Flußstrecke der Aller zeigte der Fluthgipfel 
die gewöhnlich eintretende, außerordentlich flache Wölbung, deren Scheitel dies— 
mal vor dem der Fluthwelle der Weser einen kleinen Vorsprung hatte. 
Das Hochwasser des Sommers 1861 traf in der Weser nur auf eine ganz 
unbedeutende Anschwellung und bietet dadurch einen guten Maßstab dafür, in 
welchem Grade ein Hochwasser der Aller allein auf den Wasserstand der Weser 
einzuwirken vermag. Auch in diesem Falle ist bei Winsen zwei Tage nach dem 
Eintritte des Höchststandes der Oker bei Schladen das Vorüberschreiten einer 
Fluthwelle der Oker angedeutet. Dagegen war der Oberlauf der Leine diesmal 
veniger, die Rhume aber so viel stärker erregt als 1871, daß der 1871 bei 
Wispenstein beobachtete Wasserstand wohl noch etwas überschritten wurde, und auch 
bei Grasdorf das Wasser etwas über die Höhe stieg, die es 1871 erlangte. Das 
Entstehungsgebiet des Hochwassers war diesen Anzeichen nach hauptsächlich der 
Harz. Die Fortpflanzung des Höchststandes von Grasdorf nach Basse erforderte 
auch in diesem Falle zwei Tage, und gar erst reichlich zwei Tage nach dem Ein— 
tritte des höchsten Wasserstandes an dieser Pegelstelle und bei Winsen drang der 
Fluthscheitel bis Westen vor. Auf diese Weise verstrichen, von der Entstehung 
des Hochwassers im Gebirge ab gerechnet, im Ganzen zehn Tage, ehe sich der 
Höchststand der Weser unterhalb der Aller herausbildete. Und so zeigt sich also 
auch im Gewässernetz der Aller die bei der Betrachtung der Weserhochwasser be— 
merkte Erscheinung, daß die Sommerhochwasser, die weniger hoch als die großen 
Winterhochwasser ausufern und die Flußthäler mit reichem, den Abfluß hemmen— 
dem Pflanzenwuchs bedeckt finden, nur sehr langsam fortschreiten. 
Bei dem Hochwasser in der ersten Hälfte des Mai 1888 brauchte der Fluth— 
scheitel der Oker reichlich drei Tage dazu, diesen Fluß zu durchlaufen; immerhin 
wurde der Anstieg des Wasserspiegels in der Aller wohl mit durch die Oker ein—
	        
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