Full text: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Heiligenstadt

Heiligenstadt. 
95 
die Neustadt mit der „windischen Gasse“ und in dieser die dem heiligen 
Ägidius geweihte Pfarrkirche erbauen. Hier wohnten die Wenden, die als Hörige 
in zahlreichen Orten Thüringens und des KEichsfeldes von den Herren angesiedelt 
wurden. Die Ägidienkirche behielt ihr Erbauer, Erzbischof Siegfried II., sich 
vor. Das Heiligenstädter Martinsstift erblickte darin eine Schmälerung des Pfarr- 
rechts seiner Liebfrauenkirche, weshalb sich der Stiftspropst Heinrich bei dem (1230 
zur Regierung gekommenen) Erzbischof Siegfried III. beschwerte und von diesem 
erlangte, daß er dem Martinsstift das Patronatsrecht der Ägidienkirche übertrug. 
Durch seinen Vitztum Dietrich (von Hanstein) zu Rusteberg ließ Erzbischof 
Siegfried II. um die ganze, nunmehr aus Altstadt und Neustadt bestehende Stadt 
Heiligenstadt einen Graben führen, wie der Erzbischof selbst in einer Urkunde 
vom Jahre 1227 sagt. Daß er auch die 
Stadtmauer damals hat erbauen lassen, 
ergibt sich daraus, daß Erzbischof Sieg- 
fried III. sie in einer Urkunde 1244 er- 
wähnt, als er dem Martinsstift einen Hof 
bei der S. Laurentiuskapelle (nordwestlich 
von der Martinsstiftskirche) in Heiligen- 
stadt und einen Weinberg „extra muros“ 
schenkte. Außerdem verlieh Erzbischof Sieg- 
fried II. Heiligenstadt das Stadtrecht 
und ein Stadtsiegel. Es zeigt die Um- 
schrift: + SICILLEM BURGANSINTM 
HEILGENSTAT (s. Abb. 75) und im Siegel- 
felde einen mit der Inful geschmückten, 
reitenden Bischof (der am linken Arm einen 
Schild mit dem Mainzer Rade und in der 
rechten Hand eine Fahne mit dem gleichen Bild trägt. Dahinter ist eine Zinnen- 
mauer mit Turm. Dieses Bischofsbild stellt den Verleiher des Stadtrechts und 
Stadtsiegels, den Landesherrn Erzbischof Siegfried II. von Mainz, dar — nicht aber, 
wie Wolf in seiner Geschichte von Heiligenstadt S. 17, S 9 meint, den Heiligen- 
städter Stiftspatron S. Martin. Der Irrtum rührt daher, daß das Stadtsiegel auf 
Abb. 73 den Ritter S. Martinus mit dem Bettler darstellt. — Das Stadtsiegel ist 
1261 einer Urkunde angehängt; der Rat führte ein großes und ein kleines Siegel. 
In der Zeit der Gründung der Neustadt und Erhebung Heiligenstadts zur 
Stadt wird das in der Rathausgasse auf der Grenze der Altstadt und Neustadt 
stehende zweitälteste Rathaus erbaut worden sein, und zwar an dieser 
Stelle, weil es gemeinschaftliches Rathaus für die Altstadt und Neustadt sein 
sollte. Das älteste Rathaus diente fortan (nach $ 32 des „Einworts“ von 1554) 
als „Kaufhaus oder Tanzhaus“. — Der in Abb. 73 dargestellte „Abriß“ des 
M. Joh. Fluk von 1646 zeigt noch das zweite Rathaus in der Rathausgasse, da- 
gegen in der Neustadt „den Weinkeller‘, welcher auf dem in Wolfs, Geschichte 
von Heiligenstadt befindlichen „Grundrisse von Heiligenstadt im Jahre 1800" 
als — drittes und jetziges — „Rathaus“ bezeichnet wird. 
Nach erfolgter Umschließung der Stadt Heiligenstadt durch Mauer und 
Graben wird 1239 der Südteil der Stadt als „novum oppidum“, und beide Teile 
\
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.