Full text: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Heiligenstadt

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Kreis Heiligenstadt. 
Schultheiß und 2 Ratsmänner (als Schöppen). Vor dem Vitztumgerichte sollte 
niemand den anderen beschuldigen als ein besessener Bürger den anderen, der 
Recht und Rat hat (d. h. Bürgerrecht besitzt und ratsfähig ist). Der Vitztum 
mag schuldigen (schuldig sprechen) um Bruche, die an demselbigen Gerichte 
verbrochen worden, unde anders um keine Sache. (Wo in Heiligenstadt das 
Vogt- oder Vitztumgericht abgehalten worden ist, wird nicht berichtet.) 
Das Schultheißengericht wurde abgehalten auf dem Rathause oder an 
der Straße. Bei dem Schultheißen mußten zwei von ihm geheischte Mann zu 
Dingespflichten (als Schöppen) sitzen. Er richtete nach der Stadt Heiligenstadt 
Gewohnheit und nach des Gerichtes Läuften über Schulden, Pfandsachen, Kummer 
(Pfändung), Verleumdung und hielt über Schuldsachen der Heiligenstädter Bürger 
mit Auswärtigen „Gastgericht“. Nach Abschaffung des Stadtvogts ist dem Schult- 
heißen die Gerichtsbarkeit über die ganze Stadt Heiligenstadt übertragen worden. 
Er ist alleiniger Richter in der Stadt gewesen bis zur Einführung des römischen 
Rechts durch die Ordnungen Erzbischof Albrechts für die Untergerichte (1534), 
Schöffengerichte (1536) und für das Oberlandgericht (1540). 
Die Bürgergemeinde hat im Laufe des 13. Jahrhunderts Anteil an der Ver- 
waltung der Stadt erlangt und jedenfalls mit Einwilligung des Erzbischofs von 
Mainz einen „Rat der Stadt“ an ihre Spitze gesetzt, der urkundlich zuerst im 
Jahre 1309 erscheint. Im Jahre 1314 werden 6 Ratsmänner und 1340 zwei Rats- 
meister und 10 Ratsmänner genannt. Das Stadtrecht, das Erzbischof Sieg- 
fried IL. um 1225 verliehen hat, ist nicht mehr vorhanden. Mit Erlaubnis des 
Erzbischofs Balduin setzte der Rat der Stadt 1335 ein Stadtgesetz auf, „der 
Stadt Wilköre, dy wyr haben von unsirs Herrn Gnaden“; wahr- 
scheinlich sind die Bestimmungen des früheren Stadtrechtes, so weit sie noch 
gültig und passend waren, aufgenommen worden. Später ist diese Stadt- Willkür 
durch Zusätze ergänzt worden, so oft es nötig erschien. Eine weitere Ergänzung 
der Stadtwillkür bildete „das Einwort eines ehrbaren Rates der Stadt 
Helligenstadt“, das in der Fassung vom Jahre 1554 in Wolfs Geschichte von 
Heiligenstadt mit Zusätzen von 1617 abgedruckt ist (Urkunde No.25, 5. 68 — 79), 
aber viel älter ist, da es bereits in $ 167 der Stadtwillkür ums Jahr 1371 erwähnt 
wird. Das Einwort besteht aus Ratsverordnungen über Bau-, Straßen-, Feld- 
and Forstpolizei, über Marktverkehr, Viehhaltung, Jagd und Fischfang, Handel, 
Verkauf von Getreide und Erbgut, Tausch und Kauf, Wachtdienst, Tanz, Hegung 
des Stadtwaldes, Zechprellerei, Bürgergewahrsam (Gefängnis) auf dem Geisleder- 
Tore, Zulassung zum Bürgerrechte, Bewaffnung des Bürgers usw. 
Die Bürgergemeinde bestand außer Ackerbürgern nach $ 98 der Stadt- 
Willkür von 1335 aus folgenden Handwerkern: Kaufleuten, Bäckern, Flemingen 
(Wollwebern und Tuchmachern aus Holland), Bierougen (Bierbrauern), Fleisch- 
hauern, Leinwebern und Höken. Gilde-, Zunft- oder Innungsrecht hatte nach 
8 99 der Stadt-Willkür der Landesherr, der Erzbischof von Mainz, zu verleihen. — 
Auch Juden waren nach den $8 54, 55 und 108 im Jahre 1335 in Heiligenstadt 
wohnhaftig und waren es wohl bereits 1212, wo Kaiser Otto IV. dem Vitztum 
auf Rusteberg mitteilte, daß er sein dem Erzbischofe Siegfried II. von Mainz vor 
der Krönung gegebenes Versprechen, ihn mit der Judensteuer in Mainz, Erfurt 
und in seinen anderen Städten zu belehnen. halten wolle. Die Juden haben in
	        
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