Heiligenstadt. Die Altstädter Kirche St. Marien. 141
An das Turmjoch im Westen, das aus drei gleichen quadratischen Feldern
besteht, schließt sich ein erstes Dreischiffjoch von einer dem Turmjoche gleichen
Gesamtbreite. Die schweren, rechteckig abgetreppten Pfeiler und Vorlagen, die
die Türme tragen, wiederholen sich zum Teil noch im zweiten Joche, haben aber
dort später Abänderungen erfahren. Das Mittelfeld des zweiten Joches verbreitert
sich gegen Osten, bildet also eine Trapezform. In einer Verstärkung der nörd-
lichen Außenwand dieses Joches liegt die Wendeltreppe zum Dachboden und
den Türmen, die eigentümlicherweise ihren Eingang nach außen in beträchtlicher
Höhe über dem Gelände hat. Zu diesem Türchen führt eine schmale massive
Steintreppe neueren Datums. Der Grund zu der eigentümlichen Anlage des
Zugangs zu dieser Treppe nach dem Dachboden, die die einzige in ihrer Art ist,
liegt offenbar darin, daß man die Türme auch zu Verteidigungszwecken benutzen
wollte. Wahrscheinlich war das Türchen in alter Zeit nur über eine Holztreppe
oder Leiter zu erreichen; entfernte man diese, so war der Eingang schwer zu
gewinnen. Die Treppe hat außerdem früher bis zum Kirchenfußboden herab-
geführt und hier mit einem jetzt vermauerten Türchen geendigt.
£s folgen nach Osten vier Joche mit erheblich weiter hinausgeschobenen
Außenmauern. Das erste — westlichste — dieser vier Joche vermittelt noch-
mals eine Verbreiterung des Mittelschiffes, während die ostwestlichen Gurtbögen
der Mittelpfeiler bei den übrigen drei Jochen parallel gelegen sind. Eine spät-
gotische Eigentümlichkeit des Bauwerks liegt darin, daß nur diese ostwestlichen
Gurtbögen eine besondere breite Ausgestaltung erfahren haben, während die drei
nordsüdlichen Gurtbögen dieser Gewölbegruppe nur die Gestalt des Rippen-
profiles aufweisen. Es liegt hierin ein Anklang an das basilikale Strukturschema,
wo allein die ostwestlichen Gurtbögen zum Tragen der Obermauer breit gestaltet
sein müssen; wenn man nicht überhaupt daran denken sollte, daß hier ursprüng-
lich eine basilikale Anlage geplant war, worauf die Aufrißgestaltung des späteren
Chores ebenfalls hindeutet. Die Mittelpfeiler sind kreisrund gestaltet und führen
in den Hauptrichtungen vier starke — alte — und diagonal vier schwache —
junge — Dienste. Die Diagonalrippen setzen jedoch keineswegs auf die jungen
Dienste auf — eine Folge der schmalen Gestaltung der Quergurtbögen —, sondern
treffen sich mit den letzteren über den Hauptdiensten. Die schwachen Dienste
helfen nur noch die späteren Glieder der derben Längsgurtbögen zu tragen.
(S. Abb. 116 und 117.) Eine Unschönheit, die bei Erhöhung des Mittelschiffes
wenigstens für dieses verschwunden wäre: dann wäre als Träger der Gewölbe-
kämpfer der Mitteldienst an der Obermauer hochgeführt worden, und die Aus-
bildung wäre hier völlig organisch gewesen.
Ein sehr auffälliger Bruch in der Gebäudestruktur liegt bei Beginn des
einschiffigen Chores. Hier hat man offenbar aus räumlichen Gründen, die erst
später auftraten, die Breite des Mittelschiffes unvermittelt erheblich vermehrt
und auf diese Weise die sehr gezwungene und anscheinend statisch bedenkliche
Gestalt der Triumphbogenpfeiler verursacht. Der Chor besteht aus zwei normalen
Kreuzgewölbejochen und einem Abschlusse nach fünf Seiten des Achtecks. Die
Gewölbe über dem Chore sind jedoch erst in später Zeit ausgeführt und am
Polygonalabschlusse ungewöhnlich und unkonstruktiv gestaltet (s. Abb. 116 u. 117).
In den Winkel zwischen nördlichem Seitenschiffe und Chore hat man in der