48
Kreis Heiligenstadt.
mit durchgehendem, laubgeschmücktem Kapitälgesimse. Die Bogenlaibung ist
ähnlich, aber zarter profiliert und enthält rohgeschnittenes Blattwerk in den
Kehlen. Das Gurtgesims, das auch hier am Portale hochgekröpft ist, läuft um
den Bogen herum und dient so zur Verstärkung der Portallaibung. Das innerste
Profilglied hat man weggehauen, um dem heutigen Türgewände Platz zu machen
(s. Abb. 125). Im Scheitel des Tympanons ist eine merkwürdige Figurengruppe
angebracht: ‚eine Konsole in Kopfform und darüber das Bildnis eines stehenden
Märtyrers auf einem Untergrunde, der Flammen darstellen soll, und endlich über
dem Ganzen ein gotischer Baldachin. Die Figur scheint mit ihrer archaistischen
Gestaltung den ältesten Teil der Kirche darzustellen, sie rührt offenbar von
einem früheren Bauwerke her. Der Baldachin kann wohl dem verdrängten
gotischen Tympanon angehört haben, während die Kopfkonsole, die nur unvoll-
kommen zur Figur paßt und in den Flachbogen des Oberlichtfensters einbindet,
der Zeit von 1792 angehören dürfte.
In den Ecken der Strebepfeiler am Portale finden sich Reste von Diensten,
die auf niedrigen Konsolen stehen und durch das Gurtgesims hindurchgeführt
sind. Offenbar haben sie das Gewölbe einer Vorhalle getragen; zwei Stellen in
der Mauer oberhalb des .Bogenscheitels deuten ebenfalls darauf hin, daß hier
Konstruktionsteile für das Vorhallendach gesessen haben. Diese Vorhalle ver-
mittelte offenbar in anmutiger Weise die Verbindung der Kirche mit der auf
nur 8 m Entfernung in der Portalachse errichteten St. Annenkapelle (s. dort).
Das vermauerte Südportal ist ebenfalls mit einem Gewände aus mehreren
Birnstabprofilen gebildet und ähnlich wie das Westportal mit einem Wimperge
umgeben, der aus dem gekröpften Sockelgesimse gebildet ist (s. Abb. 119). An Stelle
giner Kreuzblume ist hier ein figürliches Relief in rechteckigem gotischen Rahmen
angeordnet. Es ist darin die Krönung der Maria dargestellt. Die vermauerte
Türöffnung enthält ein ovales Fenster, das wohl den wirkungsvollen Hintergrund
zu den Köpfen der sehr schönen Madonnengruppe bilden soll, die hier aufgestellt
ist. Das Jebensgroße Bildwerk trägt die Inschrift: S. Maria, ora pro nobis. 1799.
Die Madonna sowohl wie das Kind, das sie auf dem Arme trägt, ist mit
giner Krone ausgezeichnet, die der Technik der Zeit entsprechend aus Holz
yeschnitzt ist.
Neben diesem Bildwerke stehen im Grase einige stark beschädigte Figuren,
die wohl Apostel darstellen sollen.
Die zweiteiligen Fenster der unteren Turmgeschosse (Abb. 126 und 127)
kennzeichnen bei einem tiefgeschnittenen Hohlkehlenprofile sehr deutlich die
große Mauerstärke und sind mit einem schön gezeichneten Dreiblattmaßwerke
abgeschlossen. Im nächst höheren Turmgeschosse, das der Kirchendachhöhe ent-
spricht, hat man mit guter Überlegung nur einige schmale Schlitzfenster zu not-
dürftiger Erleuchtung der Innenräume angeordnet. Auf diese Weise wird die
wuchtige Schwere des Unterbaues gegenüber dem leichten, durchbrochenen
Achtecksmauerwerk nochmals recht betont. Die Fensteröffnungen des unteren
Achteckgeschosses sind noch bescheidener gehalten, während darüber die Fenster
des Glockenstuhles so breit und hoch, wie es konstruktiv nur denkbar ist,
gestaltet sind und es so ermöglichen, daß sich der Schall des Geläutes un-
ryehindert verbreiten kann. Die Maßwerke dieser Geschosse zeigen Rundstabprofile,