Dr.-Ing. F. Bendemann.
als er erst durch systematische Versuche überzeugen, ob
die gewählte Schraubenform überhaupt Aussichten auf
Erfolg bietet.
So ist in vorbildlicher Weise Professor Dr. Klingen-
berg vorgegangen, dem wir einen genauen technischen
Bericht über die großzügigen Versuche verdanken, die er
mit den mächtigen Mitteln durchgeführt hat, welche ihm
als Direktor der A. E. G. zu Gebote standen. Hören wir
auch sein Urteil: er stellt als Ergebnis fest,
»daß mit der ausgeführten Kombination zweier groß-
flächiger (gleichachsig-gegenläufiger) Schraubenräder von
5 und 8m Durchmesser bei einem Arbeitsaufwand von
73 PS 530 kg gehoben werden konnten. Das Gewicht der
5Schraubenräder nebst Zahnradgetriebe und Standsäule
oetrug 190 kg, ließe sich aber leicht auf 170 kg ver-
ringern. Sollte sich ein derartiger, mit leichtem Benzin-
motor ausgerüsteter Apparat als Schraubenflieger er-
heben können, so dürfte das Gewicht des Motors ein-
schließlich Kühlung und Benzinvorrat, Verbindungswelle,
Gestell und mindestens einer Person 360 kg nicht über-
schreiten. Das erscheint zwar nicht erreichbar, indessen
ıaaben die Versuche den Hinweis gegeben, in welchen
Abmessungen ein flugfähiger Schraubenflieger ausführ-
ar ist. «
Klingenberg hat daraufhin den Bau einer Flugmaschine
unterlassen. Genaue Einzelheiten über die Versuche mit
graphischen Darstellungen der Ergebnisse, mit Konstruk-
tionszeichnungen der Schrauben und ihrer Zahnradgetriebe
sind in Klingenbergs Bericht (Zeitschrift des Vereines
Deutscher Ingenieure 1910, S. 1009) nachzulesen.
Die Summe dieser praktischen Erfahrungen ist jeden-
{alls nicht ermutigend. Es fragt sich nun, ob die bisherigen
Mißerfolge nur durch unzureichende Kenntnisse und ver-
xehrt gewählte Konstruktionen verursacht sind, oder ob
grundsätzliche Unmöglichkeiten vorliegen. Die Theorie
hat sich vielfach mit dieser Frage beschäftigt, und wir
vermögen sie heute ziemlich klar zu beantworten. Zur
Hälfte hat das schon, allerdings ohne ausreichende theo-
retische Begründung, Charles Renard getan, der berühmte
und hervorragend klarblickende Begründer des Luftschiff-
baues in Frankreich. Er hat sich auch mit der Frage der Hub-
schrauben besonders eingehend befaßt. Sein Bericht vom
November 1903 an die Academie des Sciences Ȇber die
Möglichkeit des Fliegens mit Hubschrauben. ...« (dem
auch schon systematische Versuche zugrunde lagen) be-
zeichnet den Aeroplan als »die Flugmaschine der Zukunft «,
weil er ungleich sparsamere Hebekraft gewähre und sein
Motor mehr als doppelt so schwer sein dürfe, als bei einer
Schraubenflugmaschine entsprechender Leistung. Die Er-
ahrung hat das bestätigt. Heute können wir aber die der
Aubschraube gezogenen Grenzen klarer feststellen.
Die Grenzen ergeben sich aus der Theorie der »voll-
s<ommenen Schraube«, deren Grundzüge wir Prof, Finster-
walder verdanken, die wir im Anfang unserer Arbeiten
ler vergleichenden Bewertung der Versuchsergebnisse
lurch die Gütegradziffer zugrunde gelegt haben!) und auf
deren Begründung wir mehrfach zurückkommen mußten.
Sie kann zwar gewisser Voraussetzungen wegen nicht als
aäne mit physikalischer Strenge einwandfrei festgestellte
Theorie gelten; die wichtigsten Zweifel an ihrer Richtigkeit
sind aber beseitigt, und die noch, zu erhebenden Einwen-
dungen laufen nur darauf hinaus, daß der theoretische Grenz-
wert der Hubkraft einer Schraube im denkbar besten Fall
noch nicht einmal ganz so groß sein kann als die einfache
Formel sie angibt. Es müßten Berichtigungen daran
angebracht werden, deren Natur wir noch nicht genau
zennen, und deren analytischer Ausdruck, wenn wir ihn
5ilden könnten, jedenfalls recht verwickelt wäre. Den
Ainfluß dieser Fehler können wir aber auf Grund der
»isherigen Versuchserfahrungen einschätzen. Er beträgt
ıöchstens einige 5 bis 10%. Jedenfalls steht aber fest,
daß der von uns angenommene, schr einfach berechen-
are Grenzwert nicht überschritten werden kann. Und
las genügt, um die hier aufgeworfene Frage zu beant-
vorten.
Nach dieser einfachen Formel berechnet sich der
Jöchstwert der theoretisch möglichen Hebekraft einer
Schraube aus der Antriebsleitung L in mkg/sec als
P'—Y2uFL®?,
wenn F = R?x die Fläche des von den Flügelspitzen um-
'cChlossenen Kreises in qm und uw die Masse eines Kubikmeters
„‚uft bedeutet. Diese Kraft entsteht nämlich, wenn der
‚on der Schraube ausgesandte Luftstrom in allen Teilen
eines Querschnittes eine gleiche, axial gerichtete Ge-
chwindigkeitskomponente besitzt und weder Wirbel noch
<reisende Geschwindigkeitskomponente darin vorhanden
ind.
Im Sinne dieser Formel haben wir z. B. das Klingen-
»ergsche Versuchsschraubenpaar, das wir vorhin erwähnten,
Js eine Schraube anzuschen, weil die beiden auf gleicher
\ıchse übereinander umlaufenden Schrauben zusammen
ıur einen Strahl erzeugen. Wir müssen also den Durch-
nesser der größten von ihnen, der Sm betrug, zugrunde
egen, wenn wir die höchst erreichbare Hebekraft aus-
echnen wollen. Mit der beim Versuch benutzten An-
riebsleistung von 93 PS oder L = 6970 mkg sec erhalten
vir als theoretisch mögliche Hebekraft
P' = 850 kg.
n Wirklichkeit sind aber im besten Falle nur /’ = 330 kg
‚ehoben worden, also 62°, des theoretischen Wertes. Der
zütegrad beträgt alco 62°,.
Breguets große Schrauben hatten den gleichen Durch-
nesser von 8m; jedes Paar wurde mit 10 bis ı1 PS an-
zetrieben und hätte theoretisch etwa P'=— 200 kg heben
<önnen, Erreicht wurden nur P == 140 bis 150 ke oder
’o bis 75% der theoretischen Leistung.
Die Gütegrade dieser Schrauben von 62 bzw. 73°
tellen nun allerdings noch nicht die praktisch erreichbare
ırenze dar. Wir haben jetzt bei einfachen Schrauben
zütegrade von 83°, nachgewiesen, und vielleicht gelingt
s, die Güte noch etwas weiter zu steigern.
Aber alle Verluste wird man nie vermeiden können;
ım einige 10 bis 15° wird das wirklich Erreichbare
tets hinter jener Grenze zurückbleiben, die, wie wir sahen,
ogar theoretisch jedenfalls noch etwas zu weit gesteckt ist.
Wir dürfen aber wohl annehmen, daß bei Schrauben
’erschiedener Größe der Prozentsatz der unvermeidlichen
/erluste ein gleicher sein wird. Unsere Formel gibt uns
lann für alle Fälle einen Maßstab der erreichbaren Kraft-
ıusnutzung, und wir können es der Formel olıne weiteres
ınsehen, daß die Kraftausnutzung, oder das Verhältnis der
Tebekraft zur aufgewendeten Auftriebsleistung bei Schrauben
verschiedener Größe durchaus nicht gleich sein wird.
daben wir vielleicht bei anderer Wahl der Dimensionen
zünstigere Verhältnisse zu erwarten ?
Viele verschiedene Beispiele nach der Formel aus-
‚urechenen, ist etwas umständlich. Wir bringen sie statt
lessen lieber in eine graphische Form, in der wir ohne
veiteres übersehen können, wie sich die theoretisch er-
eichbare Hebekraft mit dem Durchmesser und der An-
rebsleistung ändert. Wir bedienen uns dabei mit Vorteil
ıner logarithmischen Darstellungsweise, um nicht ein Netz
/on parabolisch gekrümmten Linien ziehen zu Müssen,
ınd vor allem um ein weitestes Bereich von ganz kleinen
chrauben bis hinauf zu den denkbar größten Abmessungen
ı) Vgl. Bericht von 10911, S. ı1