Full text: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Grafschaft Wernigerode

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Kreis Grafschaft Wernigerode. 
Von den ersten geschichtlich hervortretenden Sprossen eines] aus dem 
Hildesheimschen zugezogenem, nach dem Sachsenspiegel von den Nordschwaben 
stammenden Grafengeschlechts auf einer weit ins Land schauenden Bergeshöhe 
gegen 1110—1120 errichtet, auf der man Spuren vorchristlicher Gottesverehrung 
entdeckte, war dieser Bau zunächst ein castrum, eine Burg, der feste Wohnsitz 
eines erlauchten Geschlechts. Den mittelalterlichen Zuständen gemäß war dieser 
Herrensitz aber auch mit einem Gefängnis und mit Räumlichkeiten verbunden, 
welche zur Bergung von Personen und Schätzen dienten. Gerade in dieser 
Eigenschaft tritt das Bauwerk selbst, das danach als ein hervorragendes und 
festes neben anderen bekannten Bergschlössern erscheint, in den Jahren 1213 
und 1223 geschichtlich hervor. Im Jahre 1381 finden wir es zuerst deutsch als 
slot oder Schloß bezeichnet. Außer der Bergung und dem Schutze von Personen 
und Sachen war das Schloß aber auch mit Trutzwaffen bewehrt und ausgerüstet. 
Im Jahre 1438 fiaden wir hier neben verschiedenen Feuerwaffen auch noch aus 
älterer Zeit Armbrüste, bald danach aber nur noch Feuerrohre und Wallgeschütze, 
Im Jahre 1518 wird die Bergfeste nach Süden zu durch einen großen Zwinger 
oder Rundteil erweitert, an dessen Stelle jetzt vier fürstliche Beamten- und 
Dienerwohnungen stehen. 
Eines der merkwürdigsten Bauteile des Grafen- und Fürstensitzes in seiner 
Eigenschaft als Feste ist der starke freistehende Rundturm im Südwesten. Er 
war und hieß wenigstens seit dem 16. Jahrhundert der Hausmannsturm, weil der 
auf diesem Wartturm wohnende Hausmann oder Burgwart von hier aus das 
Schloß zu überwachen, auch nach etwa sich nahenden Feinden zu spähen und nach 
einer im Lande etwa aufkommenden Feuersbrunst sich umzusehen hatte. Später 
wird er dann auch Schusterturm genannt, weil hier die in der Stadt nicht 
zünftigen Nöschenröder Schuhmacher ihre Waren auslegen durften. 
Mit seinem älteren Namen wurde dieser Turm nach seiner runden Gestalt 
der senwelden torn genannt, dem mnd. senewolt, sennewolt, mhd. senwel, senewel, 
sinwel, sinewell = rund entspricht. Die Bedeutung des Turmes tritt besonders 
am 10. November 1417 hervor, an welchem Tage Botho, Graf zu Stolberg, der 
erste aus seinem Geschlecht, der im Jahre 1429 am Nordharz in das Erbe des 
alten wernigerödischen Hauses eintrat, dem Rat und der Bürgerschaft von 
Wernigerode für den Fall seines lehnserbelosen Absterbens dat Borgedor unde 
den senwelden torn einräumt.!) Es ist hier zu bemerken, daß an keiner Stelle 
so klar und deutlich der innige Zusammenhang der Schloß- und Stadtfeste 
Wernigerode zum Ausdruck kommt wie hier; Schloß- und Stadtfestung waren 
die unzertrennlich zusammengehörigen festen Schlüssel des Burgwarts, der Herr- 
schaft und späteren Grafschaft Wernigerode. 
Als der dritte Graf Botho, der Glückselige zubenannt, zwischen 1518 und 
1534 sich die Befestigung seines nordharzischen Schlosses sehr angelegen sein 
ließ, vergaß er auch des Senwelden- oder Hausmannsturmes nicht. Meister 
Simon Hilleborch, des Thomas’ Sohn, war es, der 1533/34 diese Arbeit leitete und 
den Hut oder das Spitzdach baute, das bei dem jüngsten großen Schloßbau 
1) Urkdb. d. Stadt Wernigerode Nr. 293. Es ist hier der Irrtum zu berichtigen, der 
Name Senweldentorn sei == Theobalditurm.,
	        
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