Full text: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Grafschaft Wernigerode

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Wernigerode. Schloß. 
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Im Mittelalter gab es eine solche noch nicht, sondern eine Kapelle, in welcher 
der schon früh genannte Kaplan den liturgischen Chordienst für Herrschaft 
und Hofgesinde verrichtete. Diese Kapelle war einem der sogenannten vierzehn 
Nothelfer, dem heiligen Pantaleon, gewidmet. Sein Fest, der 28. Juli, 
hatte auch für die Wernigeröder dadurch eine Bedeutung, daß an demselben 
Spenden und fröhliche Gelage stattfanden, die mehrere Tage dauerten. Als 
aber am Ende des Mittelalters in der abendländischen Kirche der Kultus der 
heiligen Anna sich sehr verbreitete, wurde diese dem heiligen Pantaleon zugesellt, 
and so erscheint in einem Ablaßbriefe vom Jahre 1503 für die Schloßkapelle 8. 
Annas Name vor S. Pantaleon. Sie hatte hier natürlich einen besonderen Altar. 
Zu den Kleinodien gehörte ein merkwürdiges noch erhaltenes Bild auf den 
am 22. Juli 1386 erfolgten gewaltsamen Tod des Grafen Dietrich von Wernigerode. 
Als mit der Kirchenerneuerung ums Jahr 1537/38 auch die Predigt in dem 
Heiligtum des Schlosses Eingang fand, wurde die Kapelle in entsprechender 
Weise umgestaltet, worauf auch die um die Mitte des 16. Jahrhunderts unter 
ihrem Inventar genannte „Porkirche“ oder Prieche deutet. In den neunziger 
Jahren des 16. Jahrhunderts läßt Graf Wolf Ernst an der Kirche bauen. Während 
des 30 jährigen Krieges — seit 1626 — und bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts 
bestand keine kirchliche Schloßgemeinde; als aber seit 1710/11 Graf Christian 
Ernst seinen großen Umbau am Schlosse vornahm, erbaute er auch 1713 eine 
neue Kirche, an der nicht nur ein Hofprediger, sondern auch zeitweise zwei 
Kapläne tätig waren. Dieses Gotteshaus war nun aber auch der Mittelpunkt 
eines ungemein lebendigen religiös - kirchlichen mit dem Namen des Pietismus 
bezeichneten Lebens, dessen Höhepunkt in die Zeit von 1727/28 bis in die ersten 
fünfziger Jahre des 18. Jahrhunderts fällt, das sich aber bis in. die Anfänge des 
19. Jahrhunderts, wenn auch in engerem Kreise, kräftig erwies. In der 
Schloßkirche wurde zwischen 1731 und 1807 auch eine Reihe von evan- 
gelischen Sendboten für Indien und nach Afrika ordiniert, auch deutsche Prediger 
für Nordamerika und vereinzelte lutherische Geistliche für das Anhaltische und 
Holland, Da aber dieses Gotteshaus sich mehr durch seine geschichtliche Be- 
deutung als durch seinen Bau auszeichnete, so sah sich der Erbgraf Henrich 
1817 veranlaßt, dasselbe zur bevorstehenden Dreihundertjahrfeier der Reformation 
neu einzurichten. Da es eine knappe Zeit und das geschichtliche Kunstverständnis 
noch wenig geweckt war, so waren Gestalt und Einrichtung der Würde eines 
solchen Bauwerkes nicht entsprechend. Um so mehr war nun der Graf und 
spätere Fürst Otto bestrebt, die neue Kirche als das reichste und schönste 
Schmuckstück des gesamten Schloßbaues in rein gotischem Stile ausgestalten zu 
lassen. Zu diesem Behufe wurde daher ausnahmsweise bei der Kirche ein zweiter 
anerkannter Meister vom Fach, der berühmte Gotiker Professor Friedrich Schmidt 
in Wien?), zu Rate gezogen. Betreffs der Angabe auf S. 153 in der ersten Bearbeitung 
dieser Schrift, daß die Schloßkirche nach einem Projekt von Schmidt in Wien 
ausgeführt sei, erteilte Graf Otto berichtigend und ergänzend in der bereits 
angezogenen Zuschrift vom 29. April 1883 die Auskunfi: „Schmidt hatte einen 
1) Geb. 20. Oktober 1825, + 28. Januar 1891.
	        
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