Full text: Beschreibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Grafschaft Wernigerode

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Kreis Grafschaft Wernigerode, 
übernommen wörden — so bietet die Kirche des Benediktinermönchsklosters 
Ilsenburg noch ungelöste Fragen, die auch bei dem traurigen Zustande des 
Torso ohne Nachgrabungen nicht zu beantworten sind. Der Grundriß zeigt das 
erste, streng symmetrische und ganz einheitlich entworfene Beispiel des später 
üblichen Hirsauer Schemas mit verlängerten Seitenchören, doppeltürmiger 
Westfront und Vorhalle, ohne Krypta, im Aufbau ist von den reinen Formen 
und der guten Quadertechnik der Hirsauer noch nichts zu spüren. Im Schiff 
finden wir den einfachen sächsischen Stützenwechsel und die völlig zierlosen 
Würfelkapitäle. Die Bauzeit (1078—87) und die Gesinnung des Bauherrn, Bischof 
Bukkos von Halberstadt (S. 65), legen es nahe, darin die älteste bekannte Über- 
tragung des clunyazensischen Schemas auf innerdeutschen Boden — noch vor 
Hirsau — zu erkennen. Auf spätere Bauarbeit deutet nur das Westportal (in 
der ehemaligen Vorhalle) mit Säulchen im abgetreppten Gewände und reichen, 
etwas rauhen Laubrankenkapitälen, dessen Zeit um 1180 durch das Flachrelief im 
Bogenfeld ungefähr bestimmt wird. Dehio (Handbuch V, 226) findet aber die 
(Hirsauer) Anlage mit der frühen Datierung entschieden unvereinbar und erklärt 
sich für einen „Neubau im 12. Jahrhundert und Bauausführung durch einen 
mangelhaft geschulten und dadurch altertümlich wirkenden Provinzialmeister.“ 
Damit wäre ja zur Not der verspätete Stützenwechsel zu vereinigen; schwerlich 
aber die klobigen Säulenfornmen, wenn wir daran denken, was damals nahebei in 
Drübeck geleistet wurde. Ich halte also daran fest, daß wir in den Resten der 
Kirche die ursprüngliche Anlage von etwa 1080 vor uns haben. 
Weit interessanter, weil in dieser Reihenfolge sehr selten so gut erhalten, 
sind jedoch die Baulichkeiten der Klausur, die um 1150—70 errichtet wurden. 
Kreuzgang und Westflügel sind gefallen. Aber der Ost- und Südflügel bieten 
eine wundervolle Folge von dreischiffigen, auf zierlichen Säulchen kreuzgewölbten 
Sälen dar, in denen wir nacheinander die Sakristei, das Kapitel, den Sommer- 
speisesaal, einen Durchgang (zur rückwärtigen, ganz verschwundenen Abtei), die 
Küche, die Anrichte und das Winterrefektorium erkennen können, alle noch mit 
den eigenartigen Spuren und Erinnerungen des strengeren klösterlichen Lebens 
und des wirtschaftlichen Betriebes, über dem Ostflügel der gemeinsame Schlafsaal 
und das Krankenzimmer, hinter dem Aestuarium, in den Garten vorspringend, 
die typische Marienkapelle. Die offenen Fenster des Kapitels, die offenen Arkaden 
des Aestuariums sind so recht bezeichnend für die südliche Herkunft dieser 
Bauformen, die im milden Klima Frankreichs ausgeprägt und für den harten 
nordischen Winter so unpassend wie nur möglich waren. Auch der mächtige 
Weinkeller unter dem Winterspeisesaal erscheint uns heute wenigstens recht 
fremdartig. 
Eine größere, kreuzförmige Basilika mit breitem Westwerk war noch die 
Marienkirche in Wernigerode (Abb. 107), von welcher indes nichts übrig 
geblieben ist. Die übrigen Dorfkirchen befolgen alle das übliche Schema, in vier- 
teiliger Gruppierung zu Drübeck (Dorf), Minsleben, Sillstedt (Apsis gotisch), in 
dreiteiliger (ohne Altarhaus) zu Altenrode und Darlingerode (Apsis neugotisch), 
wahrscheinlich ehemals auch in Reddeber und Ilsenburg (Dorf 1131) und mit 
Altarhaus ohne Apsis in Langeln (frühgotisch kreuzgewölbt). Ein einzelner Turm 
ist an der Johanniskirche in Wernigerode erhalten.
	        
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