Full text: Die Gesetzgebung auf dem Gebiete des Unterrichtswesens in Preußen

157 
Sitzungen des Disziplinar-Senats sind öffentlich, und die Vertheidigung in beiden 
Instanzen ist unverschränkt. 
Der Beschränkung der akademischen Gerichtsbarkeit auf eigentliche akademische Disziplinar— 
Vergehen zieht Halle die gänzliche Aufhebung der akademischen Gerichtsbarkeit vor. 
Bonn überweist die Vergehen, welche bis zu 5 Tage Karzer bestraft werden, aus— 
schließlich dem Universitätsrichter, schwerere — éxel. Entfernung von der Universität 
— einer Disziplinar-Kommission des Senats, bestehend aus dem Prorektor, Richter und einem 
A 
In beiden Fällen findet Appellation an den Senat statt. Der Rektor darf auch den 
Sitzungen der ersten Instanz, jedoch ohne mitzustimmen, beiwohnen, und präsidirt in der zweiten 
Instanz. Verschärfung in der Appellations-Instanz ist zulässig. 
Auf Entfernung aus der Universität erkennt nur der Senat mit 9 Geschwornen, 
3 Ordinarien, 3 Extraordinarien oder Privatdozenten und 3 Studirende, welche 21 Jahr alt und 
zwei volle Semester auf der Universität anwesend gewesen sein müssen. Appellation findet dann 
nicht statt. Sowohl vor der Disziplinar-Kommission als vor dem Senat ist Vertheidigung zulässig. 
In Civilsachen entscheidet in erster Instanz der Universitäts-Richter, in zweiter, 
wenn das Objekt 20 Rthlr. übersteigt, die Civil-Kommission des Senats, bestehend aus dem 
Dekan der Juristenfakultät und zwei Senatoren, deren einer Jurist sein muß. Der Rektor aus— 
füultirt in beiden Instanzen und votirt mit, wenn in der Kommission eine positive Stimmen— 
mehrheit nicht zu erzielen ist; er soll dann den Ausschlag geben. 
III. Ernennungen und Berufungen. 
1. Hinsichtlich des Verfahrens bei Ernennungen und Berufungen von akademischen Lehrern 
schließt sich dem bestehenden Zustande am meisten an der Vorschlag der Universität zu Berlin. 
Danach soll, außer dem Gutachten der betreffenden Fakultät, auch das des Senats gehört 
werden, indem das moralische Gewicht einer nothwendigen Konkurrenz der Universität bei jeder 
neuen Ernennung ꝛc. die Gesammtheit der Korporation tangire. Weichen die Gutachten der Fakul— 
täten von denen des Senats ab, so soll eine mündliche Berathung zwischen dem Senat und einer 
Kommission der betreffenden Fakultät stattfinden. 
2. Die Universität Halle nimmt ebenfalls nur das Recht eines nicht unbedingt maß— 
gebenden Gutachtens für die Fakultäten in Anspruch, wünscht aber, unbeschadet der Verantwort— 
ichkeit des Ministers, eine besondere, möglichst unabhängige Behörde für den öffentlichen Unterricht, 
ihnlich dem conseil de l'instruction publique in Frankreich. Dies sei nothwendig als Bürgschaft 
dafür, daß der Minister nicht als Ausdruck einer ephemeren Kammer-Majorität, um augenblicklichen 
parlamentarischen Interessen zu dienen, die bleibenden Interessen des öffentlichen Unterrichts gefährde. 
Diese Behörde habe ebenfalls bei jeder neuen Ernennung ꝛc. ihr Gutachten abzugeben. Gegen ihr 
und der betreffenden Fakultät übereinstimmendes Gutachten dürfe eine Ernennung nicht erfolgen. 
Die Zahl der Ordinarien sei nach dem wissenschaftlichen Bedürfniß festzustellen, doch auch über diese 
Zahl hinaus eine Unterstützung älterer Nominal-Professoren durch jüngere Kräfte zulässig. Die Zahl 
»er Extraordinarien möge unbeschränkt bleiben, jedoch sei auch hier die Fakultät und die obengedachte 
Behörde gutachtlich zu vernehmen. 
3. Die Universität Königsberg schlägt vor, außer der betreffenden Fakultät, resp. dem 
General-Konzil, auch noch, falls der Minister diesen Gutachten nicht beistimmen zu können vermeine, 
das Gutachten der gleichnamigen Fakultät einer andern, selbst ausländischen Universität einzuholen. 
In gleicher Weise sei bei Besörderung von Ertraordinarien zu Ordinarien zu verfahren. 
4. Die Universitäten Bonn, Breslau und Münster wollen künftig den Faklultäten ein 
negativ maßgebendes Votum bei Berufungen ꝛc. zugestanden wissen, so daß Jemand, gegen 
den die Fakultät sich ausgesprochen, n icht berufen werden dürfe. Breslau will aber doch dem Mi— 
nister die selbständige Errichtung neuer Professuren für bisher noch nicht vertreten gewesene Diszi— 
olinen, unabhängig von einem Gutachten der Fakultäten, vindiziren. 
5. Nach dem Vorschlage der Universität Greifswald präsentirt die betreffende Fakultät 
unter gleichzeitiger Benachrichtigung des General-Konzils, dem Minister 3 Kandidaten. Wird von 
diesen keiner besftätigt, so wird von Neuem präsentirt, und müssen dabei mindestens zwei neue 
Kandidaten genannt werden. Der Minister ist dann verpflichtet, einen der Präsentirten zu wählen, 
soll jedoch auch befugt sein, die Fakultät nach der ersten abgelehnten Präsentation auf einzelne In— 
dividuen aufmerksam zu machen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.