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Dasselbe Recht steht hinsichtlich des nicht religiösen Unterrichts den kirchlichen Behörden und
ihren Kommissarien in der Art zu, daß sie ihre Bemerkungen und Wünsche der Regierung
mittheilen.
8. 75. Der Unterrichts-Minister ist verpflichtet von Zeit zu Zeit unter dem Vorsitze
des Ober-Präsidenten oder eines von ihm zu ernennenden Stellvertreters eine Konferenz
sämmtlicher Schulräthe, Seminardirektoren und nach Befinden einzelner Schul-Inspectoren
der Provinz zur Berathung von inneren Angelegenheiten des Volksschulwesens Statt finden
zu lassen.
Die Verhandlungen dieser Konferenz so wie die von ihr zu stellenden Anträge werden
dem Minister des Unterrichts zur Kenntniß und Beschlußnahme eingereicht.
8. 76. Der Staat sorgt durch Einrichtung und Unterhaltung von Schullehrer-Semi—
narien für die Vorbildung derjenigen an den öffentlichen Volksschulen anzustellenden Lehrer,
welche keiner Universitätsbildung bedürfen.
8. 77. Jede Provinz enthält nach Maaßgabe der in ihr vorhandenen öffentlichen Volks⸗
schulen die für sie erforderliche Anzahl von katholischen und evangelischen Schullehrer-Seminarien.
Für die Vorbildung der an jüdischen Schulen anzustellenden Lehrer wird nach dem
vorhandenen Bedürfniß gesorgt. In jedem Seminar ist unter Genehmigung der Regierung
auch Mitgliedern anderer Religionsgesellschaften die gastweise Theilnahme am Unterricht gestattet,
in welchem Falle Dispensation von dem Religions-Unterricht des Seminars stattfinden kann.
8. 78. In den Seminarien wird der Unterricht unentgeltlich ertheilt. Außerdem erhält
jedes Seminar einen Unterstützungsfonds für würdige und bedürftige Zöglinge Behufs Erleich—
terung der ihnen durch ihre Verpflegung erwachsenden Kosten.
8. 79. Die Aufnahme in die Seminarien erfolgt erst nach dem vollendeten 17. Lebens—
jahre. Die Bedingungen, unter welchen dieselbe, namentlich in Bezug auf das erforderliche
Maaß von Kenntnissen erfolgen kann, bestimmt das Reglement.
8. 80. Die in den Seminarien vorgebildeten Schulamts-Kandidaten sind während der
Zeit von drei Jahren nach ihrem Austritt verpflichtet, jede von der Regierung ihnen an einer
öͤffentlichen Volksschule zu übertragende Lehrerstelle anzunehmen.
8. 81. Die Seminarien bereiten in einem der Regel nach dreijährigem Kursus ihre
Zöglinge zum Lehramt so wie zur richtigen Erkenntniß ihrer Stellung in Gemeinde, Staat
und Kirche vor. Wo es das Bedüurfniß erfordert, sind die Seminarien so einzurichten, daß
die Zöglinge auch zum vollständigen Gebrauch einer anderen als der deutschen Sprache beim
Unterricht angeleitet werden können. In jedem Seminar muß aber die deutsche Sprache in
dieser Beziehung die erforderliche Berücksichtigung finden.
8. 82. Der Religionsunterricht und das kirchliche Leben im Seminar unterliegt unter
Berücksichtigung der Zwecke der Anstalt der Leitung und Beaufsichtigung der betreffenden
kirchlichen Behörden.
8. 83. Der Direktor des Seminars wird auf den Vorschlag des Unterrichts-Ministers
oon dem König; die Lehrer werden von dem Unterrichts-Minister ernannt.
8. 84. Der Religionsunterricht in den Seminarien darf nur solchen Lehrern übertragen
werden, gegen welche die betreffende kirchliche Behörde in religiös-kirchlicher Beziehung keine
Einwendung gemacht hat.
8. 85. Das Gehalt der ordentlichen Seminarlehrer beträgt mindestens 400 Thaler
ährlich.
8. 86. Wo es das Bedürfniß erfordert, wird in dazu geeigneten Städten eine Ein—
richtung dahin getroffen, daß sich junge Lehrer, die ein Anstellungszeugniß besitzen (8. 91),
überhaupt pädagogisch, wissenschaftlich und namentlich zur Ertheilung von Unterricht weiter
hilden können, der über die engeren Grenzen der Volksschule (8. 3) hinausgeht und besonders
zur Vorbereitung für das gewerbliche und industrielle Leben dient.
8. 87. Soweit erforderlich, werden vom Staate auch Seminarien für Lehrerinnen
zrrichtet.
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