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zu den vom Staat zu ernennenden Kreis-Schulinspektoren wählt derselbe in der
segel Geistliche des Schulbezirks. Ausnahmen treten ein, wenn in dem Bezirk
iberhaupt kein Geistlicher oder kein zur Schulaufsicht tauglicher, oder nicht zur Ueber—
nahme derselben williger vorhanden ist, oder wenn dem Geistlichen Seitens seiner
Behörde die Uebernahme des Amtes versagt wird. Ueber den zu ernennenden
Schulinspektor, welchem zugleich Seitens der Kirche die Leitung des religiösen
Unterrichts übertragen wird, versichert sich die Staatsbehörde vorher der Zustimmung
der kirchlichen Behörde.
J. Muß nicht der Kirche eine Betheiligung bei den Lehrerprüfungen und die Fest—
tellung der Qualifikation des betreffenden Lehrers zur Ertheilung des religiösen Unterrichts
gestattet werden, und ist es nicht zweckmäßig zu bestimmen, daß der Staat nur solche
Lehrer an Elementarschulen anstelle, gegen welche die Kirche in religiös-kirchlicher Beziehung
eine Einwendungen zu machen hat?
b)
Ein hiernächst angefertigter vollständiger Entwurf, die Volksschule, die Seminarien
und das Privat-Unterrichtswesen betreffend, wurde durch Verfügung vom 18. Juli 1861
den Regierungen und Provinzial-Schulkollegien zur schließlichen Begutachtung zugefertigt.
Unter dem 25. April 1861 wurde den Provinzial-Schulkollegten ein aus 42 Para—
zraphen bestehender Entwurf eines Gesetzes, die höheren Lehranstalten betreffend, zur
Begutachtung mitgetheilt. Die Grundsätze, von welchen derselbe ausging, sind aus nachfol—
genden Worten der begleitenden Verfügung zu entnehmen.
Bei der bisherigen Entwickelung des höheren Unterrichtswesens in Preußen auf dem
Wege der Verwaltung kann die Kodifizirung aller für dasselbe maßgebenden Bestimmungen
weder als Bedürfniß, noch als heilsam angesehen werden. Es ist jedoch andererseits nicht
zu verkennen, daß der durch Art. 26 der Verfafssung verheißene gesetzliche Zustand, dessen
Herstellung bereits im Jahre 1817 Allerhöchsten Orts beabsichtigt und seitdem von der
Oberaufsichtsbehörde wiederholt in Erwägung genommen worden ist, dem allgemeinen Ent—
wickelungsgang unseres öffentlichen Lebens entspricht und den höheren Schulen selbst in
vesentlichen Beziehungen foͤrderlich sein muß, sofern es gelingt, dem inneren Leben derselben
diejenige Freiheit zu wahren, welche eine Grundbedingung zur Lösung ihrer Aufgabe ist.
Indem das Gesetz die Ordnung fixirt, welche für die Schulen gleicher Kategorie in allen
Theilen der Monarchie gelten soll, will es weder die bei gleichen Grundprinzipien zuge—
assene und als wohlthaͤtig erkannte Mannigfaltigkeit der bisherigen Einrichtungen einer
allgemeinen Uniformität zum Opfer bringen, noch die freie und freudige, vornehmlich von
der Persönlichkeit getragene Wirksamkeit der Lehrer in eine äußerliche Gesetzmäßigkeit des
Thuns verwandeln. Die Absicht ist vielmehr darauf gerichtet, durch die zu treffenden Fest—
setzungen der Nation die wünschenswerthe Bürgschaft für die Befriedigung ihrer höheren
Bildungsinteressen zu gewähren, die rechtliche Stellung der Staatsbehörde und der Kommune
zu den höheren Unterrichtsanstalten zu ordnen, die Lehrer gegen Druck von der einen und
anderen Seite zu schützen und überhaupt ein rechtliches Fundament zu legen, auf welchem
das höhere Schulwesen sich frei und kräftig entwickeln könne. In dieser Hinsicht ist die
Frage, was in das Gesetz aufzunehmen, und was dagegen den Vorschriften der Auffichts—
Behörden und der Selbstbestimmung der Schule zu überlassen sei, eine wichtige Vorfrage,
und veranlasse ich das Königliche Provinzial-Schulkollegium hierauf besonders bei Prüfung
des vorliegenden Entwurfs zu achten.